Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 303

   
         
 

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  01

B.

[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 555) ]    
  02

Der Charakter des Geschlechts.

   
         
  03 In alle Maschinen, durch die mit kleiner Kraft eben so viel ausgerichtet    
  04 werden soll, als durch andere mit großer, muß Kunst gelegt sein.    
  05 Daher kann man schon zum voraus annehmen: daß die Vorsorge der    
  06 Natur in die Organisirung des weiblichen Theils mehr Kunst gelegt haben    
  07 wird, als in die des männlichen, weil sie den Mann mit größerer Kraft    
  08 ausstattete als das Weib, um beide zur innigsten leiblichen Vereinigung,    
  09 doch auch als vernünftige Wesen zu dem ihr am meisten angelegenen    
  10 Zwecke, nämlich der Erhaltung der Art, zusammenzubringen, und überdem    
  11 sie in jener Qualität (als vernünftige Thiere) mit gesellschaftlichen Neigungen    
  12 versah, ihre Geschlechtsgemeinschaft in einer häuslichen Verbindung    
  13 fortdaurend zu machen.    
         
  14 Zur Einheit und Unauflöslichkeit einer Verbindung ist das beliebige    
  15 Zusammentreten zweier Personen nicht hinreichend; ein Theil mußte dem    
  16 andern unterworfen und wechselseitig einer dem andern irgendworin    
  17 überlegen sein, um ihn beherrschen oder regieren zu können. Denn in der    
  18 Gleichheit der Ansprüche zweier, die einander nicht entbehren können,    
  19 bewirkt die Selbstliebe lauter Zank. Ein Theil muß im Fortgange der    
  20 Cultur auf heterogene Art überlegen sein: der Mann dem Weibe durch    
  21 sein körperliches Vermögen und seinen Muth, das Weib aber dem Manne    
  22 durch ihre Naturgabe sich der Neigung des Mannes zu ihr zu bemeistern;    
  23 da hingegen im noch uncivilisirten Zustande die Überlegenheit blos auf    
  24 der Seite des Mannes ist. - Daher ist in der Anthropologie die weibliche    
  25 Eigenthümlichkeit mehr als die des männlichen Geschlechts ein Studium    
  26 für den Philosophen. Im rohen Naturzustande kann man sie eben    
  27 so wenig erkennen, als die der Holzäpfel und Holzbirnen, deren Mannigfaltigkeit    
  28 sich nur durch Pfropfen oder Inoculiren entdeckt; denn die Cultur    
  29 bringt diese weiblichen Beschaffenheiten nicht hinein, sondern veranlaßt    
  30 sie nur sich zu entwickeln und unter begünstigenden Umständen kennbar    
  31 zu werden.    
         
  32 Die Weiblichkeiten heißen Schwächen. Man spaßt darüber; Thoren    
  33 treiben damit ihren Spott, Vernünftige aber sehen sehr gut, daß sie gerade    
  34 die Hebezeuge sind, die Männlichkeit zu lenken und sie zu jener ihrer Absicht    
  35 zu gebrauchen. Der Mann ist leicht zu erforschen, die Frau verräth    
         
     

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