Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 304

   
         
 

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  01 ihr Geheimnis nicht, obgleich anderer ihres (wegen ihrer Redseligkeit)    
  02 schlecht bei ihr verwahrt ist. Er liebt den Hausfrieden und unterwirft    
  03 sich gern ihrem Regiment, um sich nur in seinen Geschäften nicht behindert    
  04 zu sehen; Sie scheut den Hauskrieg nicht, den sie mit der Zunge    
  05 führt und zu welchem Behuf die Natur ihr Redseligkeit und affectvolle    
  06 Beredtheit gab, die den Mann entwaffnet. Er fußt sich auf das Recht des    
  07 Stärkeren, im Hause zu befehlen, weil er es gegen äußere Feinde schützen    
  08 soll; Sie auf das Recht des Schwächeren: vom männlichen Theile gegen    
  09 Männer geschützt zu werden, und macht durch Thränen der Erbitterung    
  10 den Mann wehrlos, indem sie ihm seine Ungroßmüthigkeit vorrückt.    
         
  11 Im rohen Naturzustande ist das freilich anders. Das Weib ist da    
  12 ein Hausthier. Der Mann geht mit Waffen in der Hand voran, und das    
  13 Weib folgt ihm mit dem Gepäck seines Hausraths beladen. Aber selbst    
  14 da, wo eine barbarische bürgerliche Verfassung Vielweiberei gesetzlich    
  15 macht, weiß das am meisten begünstigte Weib in ihrem Zwinger (Harem    
  16 genannt) über den Mann die Herrschaft zu erringen, und dieser hat seine    
  17 liebe Noth, sich in dem Zank vieler um Eine (welche ihn beherrschen soll)    
  18 erträglicher Weise Ruhe zu schaffen.    
         
  19 Im bürgerlichen Zustande giebt sich das Weib dem Gelüsten des    
  20 Mannes nicht ohne Ehe weg und zwar die der Monogamie: wo, wenn    
  21 die Civilisirung noch nicht bis zur weiblichen Freiheit in der Galanterie    
  22 (auch andere Männer als den einen öffentlich zu Liebhabern zu haben)    
  23 gestiegen ist, der Mann sein Weib bestraft, das ihn mit einem Nebenbuhler    
  24 bedroht*). Wenn diese aber zur Mode und die Eifersucht lächerlich    
  25 geworden ist (wie das dann im Zeitpunkt des Luxus nicht ausbleibt), so    
         
    *) Die alte Sage von den Russen: daß die Weiber ihre Ehemänner im Verdacht hielten, es mit anderen Weibern zu halten, wenn sie nicht dann und wann von diesen Schläge bekämen, wird gewöhnlich für Fabel gehalten. Allein in Cooks Reisen findet man: daß, als ein engl. Matrose einen Indier auf Otaheite sein Weib mit Schlägen züchtigen sah, jener den Galanten machen wollte und mit Drohungen auf diesen losging. Das Weib kehrte sich auf der Stelle wider den Engländer, fragte, was ihm das angehe: der Mann müsse das thun! - - Eben so wird man auch finden, daß, wenn das verehlichte Weib sichtbarlich Galanterie treibt, und ihr Mann gar nicht mehr darauf achtet, sondern sich dafür durch Punch= und Spielgesellschaft, oder andere Buhlerei schadlos hält, nicht blos Verachtung, sondern auch Haß in den weiblichen Theil übergeht: weil das Weib daran erkennt, daß er nun gar keinen Werth mehr in sie setzt und seine Frau Anderen, an demselben Knochen zu nagen, gleichgültig überläßt.    
         
     

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