Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 169 |
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01 | den eben gemachten Erinnerungen nicht so allgemein mittheilbar, als die | ||||||
02 | Verstandesbegriffe. Man nennt aber (wiewohl nur uneigentlich) auch die | ||||||
03 | Empfänglichkeit für Vorstellungen der Einbildungskraft in der Mittheilung | ||||||
04 | bisweilen einen Sinn und sagt: Dieser Mensch hat hiefür keinen | ||||||
05 | Sinn, ob es zwar eine Unfähigkeit nicht des Sinnes, sondern zum Theil | ||||||
06 | des Verstandes ist, mitgetheilte Vorstellungen aufzufassen und im Denken | ||||||
07 | zu vereinigen. Er denkt selbst nichts bei dem, was er spricht, und andere | ||||||
08 | verstehen ihn daher auch nicht; er spricht Unsinn ( non sense ), welcher | ||||||
09 | Fehler noch von dem Sinnleeren unterschieden ist, wo Gedanken so zusammen | ||||||
10 | gepaart werden, daß ein Anderer nicht weiß, was er daraus | ||||||
11 | machen soll. - Daß das Wort Sinn (aber nur im Singular) so häufig | ||||||
12 | für Gedanken gebraucht, ja wohl gar eine noch höhere Stufe, als die des | ||||||
13 | Denkens ist, bezeichnen soll; daß man von einem Ausspruche sagt: es liege | ||||||
14 | in ihm ein reichhaltiger oder tiefer Sinn (daher das Wort Sinnspruch), | ||||||
15 | und daß man den gesunden Menschenverstand auch Gemeinsinn nennt | ||||||
16 | und ihn, obzwar dieser Ausdruck eigentlich nur die niedrigste Stufe vom | ||||||
17 | Erkenntnißvermögen bezeichnet, doch obenan setzt, gründet sich darauf: daß | ||||||
18 | die Einbildungskraft, welche dem Verstande Stoff unterlegt, um den Begriffen | ||||||
19 | desselben Inhalt (zum Erkenntnisse) zu verschaffen, vermöge der | ||||||
20 | Analogie ihrer (gedichteten) Anschauungen mit wirklichen Wahrnehmungen | ||||||
21 | jenen Realität zu verschaffen scheint. | ||||||
22 | § 29. Die Einbildungskraft*) zu erregen oder zu besänftigen, giebt | [ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 135) ] | |||||
23 | es ein körperliches Mittel in dem Genusse berauschender Genießmittel, | ||||||
*) Ich übergehe hier, was nicht Mittel zu einer Absicht, sondern natürliche Folge aus der Lage ist, darein jemand gesetzt wird, und wodurch blos seine Einbildungskraft ihn außer Fassung bringt. Dahin gehört der Schwindel beim Herabsehen vom Rande einer steilen Höhe (allenfalls auch nur einer schmalen Brücke ohne Geländer) und die Seekrankheit. - Das Bret, worauf der sich schwach fühlende Mensch tritt, würde, wenn es auf der Erde läge, ihm keine Furcht einjagen; wenn es aber als ein Steg über einen tiefen Abgrund gelegt ist, vermag der Gedanke von der bloßen Möglichkeit fehl zu treten so viel, daß er bei seinem Versuche wirklich in Gefahr kommt. - die Seekrankheit (von welcher ich selbst in einer Fahrt von Pillau nach Königsberg eine Erfahrung gemacht habe, wenn man anders dieselbe eine Seefahrt nennen will) mit ihrer Anwandlung zum Erbrechen kam, wie ich bemerkt zu haben Glaube, mir blos durch die Augen; da, beim Schwanken des Schiffs aus der Kajüte gesehen, mir bald das Haff, bald die Höhe von Balga in die Augen fiel und das wiederkommende Sinken nach dem Steigen vermittelst der Einbildungskraft durch die Bauchmuskeln eine antiperistaltische Bewegung der Eingeweide reizte. | |||||||
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