Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 149 |
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01 | ihrer kaum mehr bewußt ist, zwar die Ertragung der Übel leicht (die | ||||||
02 | man alsdann fälschlich mit dem Namen einer Tugend nämlich der Geduld, | ||||||
03 | beehrt), aber auch das Bewußtsein und die Erinnerung des empfangenen | ||||||
04 | Guten schwerer, welches denn gemeiniglich zum Undank (einer | ||||||
05 | wirklichen Untugend) führt. | ||||||
06 | Aber die Angewohnheit ( assuetudo ) ist eine physische innere Nöthigung | ||||||
07 | nach derselben Weise ferner zu verfahren, wie man bis dahin verfahren | ||||||
08 | hat. Sie benimmt den guten Handlungen eben dadurch ihren | ||||||
09 | moralischen Werth, weil sie der Freiheit des Gemüths Abbruch thut und | ||||||
10 | überdem zu gedankenlosen Wiederholungen ebendesselben Acts (Monotonie) | ||||||
11 | führt und dadurch lächerlich wird. - Angewöhnte Flickwörter | ||||||
12 | (Phrasen zu bloßer Ausfüllung der Leere an Gedanken) machen den Zuhörer | ||||||
13 | unaufhörlich besorgt, das Sprüchelchen wiederum hören zu müssen, | ||||||
14 | und den Redner zur Sprachmaschine. Die Ursache der Erregung des | ||||||
15 | Ekels, den die Angewohnheit eines Andern in uns erregt, ist, weil das | ||||||
16 | Thier hier gar zu sehr aus dem Menschen hervorspringt, das instinctmäßig | ||||||
17 | nach der Regel der Angewöhnung gleich als eine andere (nichtmenschliche) | ||||||
18 | Natur geleitet wird und so Gefahr läuft, mit dem Vieh in | ||||||
19 | eine und dieselbe Classe zu gerathen. - Doch können gewisse Angewöhnungen | ||||||
20 | absichtlich geschehen und eingeräumt werden, wenn nämlich die | ||||||
21 | Natur der freien Willkür ihre Hülfe versagt, z. B. im Alter sich an die | ||||||
22 | Zeit des Essens und Trinkens, die Qualität und Quantität desselben, oder | ||||||
23 | auch des Schlafs zu gewöhnen und so allmählig mechanisch zu werden; | ||||||
24 | aber das gilt nur als Ausnahme und im Nothfall. In der Regel ist alle | ||||||
25 | Angewohnheit verwerflich. | ||||||
26 | Von dem künstlichen Spiel mit dem Sinnenschein. |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 091) ] | |||||
27 | § 13. Das Blendwerk, welches durch Sinnenvorstellungen dem | ||||||
28 | Verstande gemacht wird ( praestigiae ), kann natürlich, oder auch künstlich | ||||||
29 | sein und ist entweder Täuschung ( illusio ), oder Betrug ( fraus ). | ||||||
30 | Dasjenige Blendwerk, wodurch man genöthigt wird, etwas auf das Zeugni | ||||||
31 | der Augen für wirklich zu halten, ob es zwar von eben demselben | ||||||
32 | Subject durch seinen Verstand für unmöglich erklärt wird, heißt Augenverblendni | ||||||
33 | ( praestigiae ). | ||||||
34 | Illusion ist dasjenige Blendwerk, welches bleibt, ob man gleich | ||||||
35 | weiß, daß der vermeinte Gegenstand nicht wirklich ist. - Dieses Spiel | ||||||
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