Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 148 |
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01 | einen Vernünftigen doch unendlich leichter als Gebote einer geschäftigen | ||||||
02 | Nichtsthuerei ( gratis anhelare, multa agendo nihil agere ), dergleichen | ||||||
03 | die waren, welche das Judenthum begründete; denn das Mechanisch | ||||||
04 | Leichte fühlt der vernünftige Mann centnerschwer, wenn er sieht, daß die | ||||||
05 | darauf verwandte Mühe doch zu nichts nützt. | ||||||
06 | Etwas Schweres leicht zu machen ist Verdienst; es als leicht | ||||||
07 | vorzumalen, ob man gleich es selbst zu leisten nicht vermag, ist Betrug. | ||||||
08 | Das, was leicht ist, zu thun, ist verdienstlos. Methoden und | ||||||
09 | Maschinen und unter diesen die Vertheilung der Arbeiten unter verschiedene | ||||||
10 | Künstler (fabrikenmäßige Arbeit) machen vieles leicht, was mit eigenen | ||||||
11 | Händen ohne andere Werkzeuge zu thun schwer sein würde. | ||||||
12 | Schwierigkeiten zu zeigen, ehe man die Vorschrift zur Unternehmung | ||||||
13 | giebt (wie z. B. in Nachforschungen der Metaphysik), mag zwar abschrecken, | ||||||
14 | aber das ist doch besser als sie zu verhehlen. Der alles, was er sich vornimmt, | ||||||
15 | für leicht hält, ist leichtsinnig. Dem alles, was er thut, leicht | ||||||
16 | läßt, ist gewandt; so wie der, dessen Thun Mühe verräth, schwerfällig. | ||||||
17 | - Die gesellige Unterhaltung (Conversation) ist ein bloßes Spiel, worin | ||||||
18 | Alles leicht sein und leicht lassen muß. Daher die Ceremonie (das Steife) | ||||||
19 | in derselben, z. B. das feierliche Abschiednehmen nach einem Gelage, als | ||||||
20 | altväterisch abgeschafft ist. | ||||||
21 | Die Gemüthsstimmung der Menschen bei Unternehmung eines Geschäfts | ||||||
22 | ist nach Verschiedenheit der Temperamente verschieden. Einige fangen | ||||||
23 | von Schwierigkeiten und Besorgnissen an (Melancholische), bei andern | ||||||
24 | ist die Hoffnung und vermeinte Leichtigkeit der Ausführung das erste, | ||||||
25 | was ihnen in die Gedanken kommt (Sanguinische). | ||||||
26 | Was ist aber von dem ruhmredigen Ausspruche der Kraftmänner, | ||||||
27 | der nicht auf bloßem Temperament gegründet ist, zu halten: "Was der | ||||||
28 | Mensch will, das kann er"? Er ist nichts weiter als eine hochtönende | ||||||
29 | Tautologie: was er nämlich auf den Geheiß seiner moralisch=gebietenden | ||||||
30 | Vernunft will, das soll er, folglich kann er es auch thun | ||||||
31 | (denn das Unmögliche wird ihm die Vernunft nicht gebieten). Es gab | ||||||
32 | aber vor einigen Jahren solche Gecken, die das auch im physischen Sinn | ||||||
33 | von sich priesen und sich so als Weltbestürmer ankündigten, deren Rasse | ||||||
34 | aber vorlängst ausgegangen ist. | ||||||
35 | Endlich macht das Gewohntwerden ( consuetudo ), da nämlich | ||||||
36 | Empfindungen von eben derselben Art durch ihre lange Dauer ohne Abwechselung | ||||||
37 | die Aufmerksamkeit von den Sinnen abziehen, und man sich | ||||||
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