Kant: AA XIX, Erläuterungen zu A. G. Baumgartens ... , Seite 202

     
           
 

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  01 Auflage interessirt die Bürger gegen einander. Der souverain kan thun,      
  02 was er will, aber in der execution müssen die rechte der Bürger gegen einander      
  03 von ihnen selbst ausgemacht werden.      
           
   

 

6906.   υ? κ?   Pr XII'.
 
     
  05 Daß die Menschen von Natur böse seyn, erhellet daraus*, daß sie      
  06 von selbst niemals mit ihrer idee des Guten zusammen stimmen und daß      
  07 sie müssen gezwungen werden, imgleichen daß sie sich wechselsweise durch      
  08 einander von Einem zwingen lassen. Imgleichen Muß der Mensch disciplinirt      
  09 werden und die Wildheit weggenomnmen werden. Das Wohlverhalten      
  10 der Menschen ist also was erzwungenes, und die Natur desselben      
  11 ist demselben nicht gemäß. Es ist ein Grundsatz der bürgerlichen so wohl      
  12 als Staatsklugheit: jederman ist von Natur böse, und nur so fern gut,      
  13 als er unter einer Gewalt steht, die ihn nöthigt, gut zu seyn. Er hat aber      
  14 das Vermögen, nach und nach auch ohne Zwang gut zu werden. wenn die      
  15 triebfedern des guten, die in ihm liegen, nach und nach entwikelt werden.      
  16 Das Kind erwächst böse ohne disciplin. Das macht: das thierische geht      
  17 blos auf seine Neigung und die Pflicht auf die idee des Guten. Wenn      
  18 er gleich moralisch böse ist, so ist er doch physisch gut.      
           
  19 * (g auch daraus, daß sie, in einem Staatskörper vereinigt, iederzeit      
  20 gewaltthätig, eigenützig und unvertragsam sind. )      
           
   

 

6907.   υ.   Pr XIII'.
 
     
  22 Die Glükseeligkeit ist zwiefach: entweder die, so eine Wirkung der      
  23 freyen Willkühr vernünftiger Wesen an sich selbst ist, oder die nur eine      
  24 Zufellige und äußerlich von der Natur abhängende Wirkung davon ist.      
  25 Vernünftige Wesen könen sich durch handlungen, welche auf sich und auf      
  26 einander wechselseitig gerichtet sind, die Wahre Glükseeligkeit machen, die      
  27 von allem in der Natur unabhängig ist. und die Natur kan ohne diese      
  28 auch nicht die eigentliche Glükseeligkeit liefern. Dieses ist die Glükseeligkeit      
  29 der Verstandeswelt. Daher macht die Vorstellung der moralischen Vollkommenheit      
  30 auch weichmüthig. Man sieht nemlich in so große Glükseeligkeit      
  31 hinaus, die blos auf dem Willen beruht. Ich kan nicht sagen,      
  32 ich wolte so gut seyn, wenn andre es auch seyn wolten; denn alsdenn ist      
  33 den Zwek Zu erreichen nicht möglich. Ich muß das Muster der Vollkomenheit      
     

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