Kant: AA II, Träume eines Geistersehers, ... , Seite 371 |
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| 01 | welche ich pneumatisch nennen will, ohne die Vermittelung der Materie | ||||||
| 02 | in Verbindung stehe, oder jemals stehen werde, kann ich auf keinerlei | ||||||
| 03 | Weise aus demjenigen schließen, was mir gegeben ist. Alle solche Urtheile, | ||||||
| 04 | wie diejenige von der Art, wie meine Seele den Körper bewegt, | ||||||
| 05 | oder mit andern Wesen ihrer Art jetzt oder künftig in Verhältniß steht, | ||||||
| 06 | können niemals etwas mehr als Erdichtungen sein und zwar bei weitem | ||||||
| 07 | nicht einmal von demjenigen Werthe, als die in der Naturwissenschaft, | ||||||
| 08 | welche man Hypothesen nennt, bei welchen man keine Grundkräfte ersinnt, | ||||||
| 09 | sondern diejenige, welche man durch Erfahrung schon kennt, nur auf eine | ||||||
| 10 | den Erscheinungen angemessene Art verbindet, und deren Möglichkeit sich | ||||||
| 11 | also jederzeit muß können beweisen lassen; dagegen im ersten Falle selbst | ||||||
| 12 | neue Fundamentalverhältnisse von Ursache und Wirkung angenommen | ||||||
| 13 | werden, in welchen man niemals den mindesten Begriff ihrer Möglichkeit | ||||||
| 14 | haben kann und also nur schöpferisch oder chimärisch, wie man es nennen | ||||||
| 15 | will, dichtet. Die Begreiflichkeit verschiedener wahren, oder angeblichen | ||||||
| 16 | Erscheinungen aus dergleichen angenommenen Grundideen dient diesen | ||||||
| 17 | zu gar keinem Vortheile. Denn man kann leicht von allem Grund angeben, | ||||||
| 18 | wenn man berechtigt ist, Thätigkeiten und Wirkungsgesetze zu ersinnen, | ||||||
| 19 | wie man will. Wir müssen also warten, bis wir vielleicht in der | ||||||
| 20 | künftigen Welt durch neue Erfahrungen und neue Begriffe von den uns | ||||||
| 21 | noch verborgenen Kräften in unserm denkenden Selbst werden belehrt werden. | ||||||
| 22 | So haben uns die Beobachtungen späterer Zeiten, nachdem sie durch | ||||||
| 23 | Mathematik aufgelöset worden, die Kraft der Anziehung an der Materie | ||||||
| 24 | offenbart, von deren Möglichkeit (weil sie eine Grundkraft zu sein scheint) | ||||||
| 25 | man sich niemals einigen ferneren Begriff wird machen können. Diejenige, | ||||||
| 26 | welche, ohne den Beweis aus der Erfahrung in Händen zu haben, | ||||||
| 27 | vorher sich eine solche Eigenschaft hätten ersinnen wollen, würden als Thoren | ||||||
| 28 | mit Recht verdient haben ausgelacht zu werden. Da nun die Vernunftgründe | ||||||
| 29 | in dergleichen Fällen weder zur Erfindung noch zur Bestätigung | ||||||
| 30 | der Möglichkeit oder Unmöglichkeit von der mindesten Erheblichkeit | ||||||
| 31 | sind: so kann man nur den Erfahrungen das Recht der Entscheidung einräumen, | ||||||
| 32 | so wie ich es auch der Zeit, welche Erfahrung bringt, überlasse, | ||||||
| 33 | etwas über die gepriesene Heilkräfte des Magnets in Zahnkrankheiten | ||||||
| 34 | auszumachen, wenn sie eben so viel Beobachtungen wird vorzeigen können, | ||||||
| 35 | daß magnetische Stäbe auf Fleisch und Knochen wirken, als wir schon vor | ||||||
| 36 | uns haben, daß es auf Eisen und Stahl geschehe. Wenn aber gewisse angebliche | ||||||
| 37 | Erfahrungen sich in kein unter den meisten Menschen einstimmiges | ||||||
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