| Kant: AA II, Träume eines Geistersehers, ... , Seite 370 | |||||||
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| 01 | Bezirke niemals mehr ausschweifen lassen. Wir haben einige Philosophie | ||||||
| 02 | nöthig gehabt, um die Schwierigkeiten zu kennen, welche einen Begriff | ||||||
| 03 | umgeben, den man gemeiniglich als sehr bequem und alltägig behandelt. | ||||||
| 04 | Etwas mehr Philosophie entfernt dieses Schattenbild der Einsicht | ||||||
| 05 | noch mehr und überzeugt uns, daß es gänzlich außer dem Gesichtskreise | ||||||
| 06 | der Menschen liege. Denn in den Verhältnissen der Ursache und | ||||||
| 07 | Wirkung, der Substanz und der Handlung dient anfänglich die Philosophie | ||||||
| 08 | dazu, die verwickelte Erscheinungen aufzulösen und solche auf einfachere | ||||||
| 09 | Vorstellungen zu bringen. Ist man aber endlich zu den Grundverhältnissen | ||||||
| 10 | gelangt, so hat das Geschäfte der Philosophie ein Ende, und | ||||||
| 11 | wie etwas könne eine Ursache sein oder eine Kraft haben, ist unmöglich | ||||||
| 12 | jemals durch Vernunft einzusehen, sondern diese Verhältnisse müssen lediglich | ||||||
| 13 | aus der Erfahrung genommen werden. Denn unsere Vernunftregel | ||||||
| 14 | geht nur auf die Vergleichung nach der Identität und dem Widerspruche. | ||||||
| 15 | So fern aber etwas eine Ursache ist, so wird durch Etwas | ||||||
| 16 | etwas Anders gesetzt, und es ist also kein Zusammenhang vermöge der | ||||||
| 17 | Einstimmung anzutreffen; wie denn auch, wenn ich eben dasselbe nicht als | ||||||
| 18 | eine Ursache ansehen will, niemals ein Widerspruch entspringt, weil es | ||||||
| 19 | sich nicht contradicirt, wenn etwas gesetzt ist, etwas anderes aufzuheben. | ||||||
| 20 | Daher die Grundbegriffe der Dinge als Ursachen, die der Kräfte und | ||||||
| 21 | Handlungen, wenn sie nicht aus der Erfahrung hergenommen sind, gänzlich | ||||||
| 22 | willkürlich sind und weder bewiesen noch widerlegt werden können. | ||||||
| 23 | Ich weiß wohl, daß das Denken und Wollen meinen Körper bewege, aber | ||||||
| 24 | ich kann diese Erscheinung als eine einfache Erfahrung niemals durch | ||||||
| 25 | Zergliederung auf eine andere bringen und sie daher wohl erkennen, aber | ||||||
| 26 | nicht einsehen. Daß mein Wille meinen Arm bewegt, ist mir nicht verständlicher, | ||||||
| 27 | als wenn jemand sagte, daß derselbe auch den Mond in seinem | ||||||
| 28 | Kreise zurückhalten könnte; der Unterschied ist nur dieser: daß ich | ||||||
| 29 | jenes erfahre, dieses aber niemals in meine Sinne gekommen ist. Ich erkenne | ||||||
| 30 | in mir Veränderungen als in einem Subjecte, was lebt, nämlich | ||||||
| 31 | Gedanken, Willkür etc. etc., und weil diese Bestimmungen von anderer Art | ||||||
| 32 | sind als alles, was zusammengenommen meinen Begriff vom Körper | ||||||
| 33 | macht, so denke ich mir billigermaßen ein unkörperliches und beharrliches | ||||||
| 34 | Wesen. Ob dieses auch ohne Verbindung mit dem Körper denken werde, | ||||||
| 35 | kann vermittelst dieser aus Erfahrung erkannten Natur niemals geschlossen | ||||||
| 36 | werden. Ich bin mit meiner Art Wesen durch Vermittelung körperlicher | ||||||
| 37 | Gesetze in Verknüpfung, ob ich aber auch sonst nach andern Gesetzen, | ||||||
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