Kant: AA II, Träume eines Geistersehers, ... , Seite 353 |
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Text (Kant):
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01 | Der zweite Theil, |
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02 | welcher historisch ist. |
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03 | Erstes Hauptstück. |
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04 | Eine Erzählung, deren Wahrheit der beliebigen Erkundigung |
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05 | des Lesers empfohlen wird. |
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06 | Sit mihi fas audita loqui. - - - | ||||||
07 | VIRG. | ||||||
08 | Die Philosophie, deren Eigendünkel macht, daß sie sich selbst allen | ||||||
09 | eiteln Fragen bloß stellt, sieht sich oft bei dem Anlasse gewisser Erzählungen | ||||||
10 | in schlimmer Verlegenheit, wenn sie entweder an einigem in denselben | ||||||
11 | ungestraft nicht zweifeln oder manches davon unausgelacht nicht glauben | ||||||
12 | darf. Beide Beschwerlichkeiten finden sich in gewisser Maße bei den | ||||||
13 | herumgehenden Geistergeschichten zusammen, die erste bei Anhörung desjenigen, | ||||||
14 | der sie betheuret, und die zweite in Betracht derer, auf die man | ||||||
15 | sie weiter bringt. In der That ist auch kein Vorwurf dem Philosophen | ||||||
16 | bitterer, als der der Leichtgläubigkeit und der Ergebenheit in den gemeinen | ||||||
17 | Wahn, und da diejenigen, welche sich darauf verstehen, gutes Kaufs | ||||||
18 | klug zu scheinen, ihr spöttisches Gelächter auf alles werfen, was die Unwissenden | ||||||
19 | und die Weisen gewissermaßen gleich macht, indem es beiden | ||||||
20 | unbegreiflich ist: so ist kein Wunder, daß die so häufig vorgegebene Erscheinungen | ||||||
21 | großen Eingang finden, öffentlich aber entweder abgeleugnet | ||||||
22 | oder doch verhehlt werden. Man kann sich daher darauf verlassen: daß | ||||||
23 | niemals eine Akademie der Wissenschaften diese Materie zur Preisfrage | ||||||
24 | machen werde; nicht als wenn die Glieder derselben gänzlich von aller Ergebenheit | ||||||
25 | in die gedachte Meinung frei wären, sondern weil die Regel der | ||||||
26 | Klugheit den Fragen, welche der Vorwitz und die eitle Wißbegierde ohne | ||||||
27 | Unterschied aufwirft, mit Recht Schranken setzt. Und so werden die Erzählungen | ||||||
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