Kant: AA II, Untersuchung über die ... , Seite 276

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01

Erste Betrachtung.

     
  02

Allgemeine Vergleichung der Art zur Gewißheit im mathematischen

     
  03

Erkenntnisse zu gelangen mit der im philosophischen.

     
           
  04
§ 1.
     
  05
Die Mathematik gelangt zu allen ihren Definitionen
     
  06
synthetisch, die Philosophie aber analytisch.
     
           
  07 Man kann zu einem jeden allgemeinen Begriffe auf zweierlei Wege      
  08 kommen, entweder durch die willkürliche Verbindung der Begriffe,      
  09 oder durch Absonderung von demjenigen Erkenntnisse, welches durch Zergliederung      
  10 ist deutlich gemacht worden. Die Mathematik faßt niemals      
  11 anders Definitionen ab als auf die erstere Art. Man gedenkt sich z. E.      
  12 willkürlich vier gerade Linien, die eine Ebene einschließen, so daß die entgegenstehende      
  13 Seiten nicht parallel sind, und nennt diese Figur ein Trapezium.      
  14 Der Begriff, den ich erkläre, ist nicht vor der Definition gegeben,      
  15 sondern er entspringt allererst durch dieselbe. Ein Kegel mag sonst bedeuten,      
  16 was er wolle; in der Mathematik entsteht er aus der willkürlichen      
  17 Vorstellung eines rechtwinklichten Triangels, der sich um eine Seite dreht.      
  18 Die Erklärung entspringt hier und in allen andern Fällen offenbar durch      
  19 die Synthesin.      
           
  20 Mit den Definitionen der Weltweisheit ist es ganz anders bewandt.      
  21 Es ist hier der Begriff von einem Dinge schon gegeben, aber verworren      
  22 oder nicht genugsam bestimmt. Ich muß ihn zergliedern, die abgesonderte      
  23 Merkmale zusammen mit dem gegebenen Begriffe in allerlei Fällen      
  24 vergleichen und diesen abstracten Gedanken ausführlich und bestimmt      
  25 machen. Jedermann hat z. E. einen Begriff von der Zeit; dieser soll erklärt      
           
     

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