Kant: AA II, Beobachtungen über das ... , Seite 236

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 den Kopf nicht von bezaubernden Mienen, schmachtenden Augen, edlem      
  02 Anstande etc. etc. voll hat, auch nichts von allem diesem versteht, so wird      
  03 er desto aufmerksamer auf haushälterische Tugenden, Sparsamkeit etc. etc.      
  04 und auf das Eingebrachte. Was den etwas feineren Geschmack anlangt,      
  05 um dessentwillen es nöthig sein möchte einen Unterschied unter den äußerlichen      
  06 Reizen des Frauenzimmers zu machen, so ist derselbe entweder auf      
  07 das, was in der Gestalt und dem Ausdrucke des Gesichts moralisch ist,      
  08 oder auf das Unmoralische geheftet. Ein Frauenzimmer wird in Ansehung      
  09 der Annehmlichkeiten von der letzteren Art hübsch genannt. Ein      
  10 proportionirlicher Bau, regelmäßige Züge, Farben von Auge und Gesicht,      
  11 die zierlich abstechen, lauter Schönheiten, die auch an einem Blumenstrauße      
  12 gefallen und einen kalten Beifall erwerben. Das Gesicht selber      
  13 sagt nichts, ob es gleich hübsch ist, und redet nicht zum Herzen. Was den      
  14 Ausdruck der Züge, der Augen und der Mienen anlangt, der moralisch ist,      
  15 so geht er entweder auf das Gefühl des Erhabenen, oder des Schönen.      
  16 Ein Frauenzimmer, an welchem die Annehmlichkeiten, die ihrem Geschlecht      
  17 geziemen, vornehmlich den moralischen Ausdruck des Erhabenen      
  18 hervorstechen lassen, heißt schön im eigentlichen Verstande, diejenige, deren      
  19 moralische Zeichnung, so fern sie in den Mienen oder Gesichtszügen      
  20 sich kennbar macht, die Eigenschaften des Schönen ankündigt, ist annehmlich      
  21 und, wenn sie es in einem höhern Grade ist, reizend. Die erstere      
  22 läßt unter einer Miene von Gelassenheit und einem edlen Anstande den      
  23 Schimmer eines schönen Verstandes aus bescheidenen Blicken hervorspielen,      
  24 und indem sich in ihrem Gesicht ein zärtlich Gefühl und wohlwollendes      
  25 Herz abmalt, so bemächtigt sie sich sowohl der Neigung als der Hochachtung      
  26 eines männlichen Herzens. Die zweite zeigt Munterkeit und Witz      
  27 in lachenden Augen, etwas feinen Muthwillen, das Schäkerhafte der      
  28 Scherze und schalkhafte Sprödigkeit. Sie reizt, wenn die erstere rührt,      
  29 und das Gefühl der Liebe, dessen sie fähig ist und welche sie anderen einflößt,      
  30 ist flatterhaft, aber schön, dagegen die Empfindung der ersteren      
  31 zärtlich, mit Achtung verbunden und beständig ist. Ich mag mich nicht      
  32 in gar zu ausführliche Zergliederungen von dieser Art einlassen; denn in      
  33 solchen Fällen scheint der Verfasser jederzeit seine eigene Neigung zu malen.      
  34 Indessen berühre ich noch: daß der Geschmack, den viele Damen an      
  35 einer gesunden, aber blassen Farbe finden, sich hier verstehen lasse. Denn      
  36 diese begleitet gemeiniglich eine Gemüthsart von mehr innerem Gefühl      
  37 und zärtlicher Empfindung, welches zur Eigenschaft des Erhabenen gehört,      
           
     

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