| Kant: AA II, Beobachtungen über das ... , Seite 232 | |||||||
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| 01 | Sie thun etwas nur darum, weil es ihnen so beliebt, und die Kunst besteht | ||||||
| 02 | darin zu machen, daß ihnen nur dasjenige beliebe, was gut ist. Ich | ||||||
| 03 | glaube schwerlich, daß das schöne Geschlecht der Grundsätze fähig sei, und | ||||||
| 04 | ich hoffe dadurch nicht zu beleidigen, denn diese sind auch äußerst selten | ||||||
| 05 | beim männlichen. Dafür aber hat die Vorsehung in ihren Busen gütige | ||||||
| 06 | und wohlwollende Empfindungen, ein feines Gefühl für Anständigkeit | ||||||
| 07 | und eine gefällige Seele gegeben. Man fordere ja nicht Aufopferungen | ||||||
| 08 | und großmüthigen Selbstzwang. Ein Mann muß es seiner Frauen niemals | ||||||
| 09 | sagen, wenn er einen Theil seines Vermögens um einen Freund in | ||||||
| 10 | Gefahr setzt. Warum will er ihre muntere Gesprächigkeit fesseln, dadurch | ||||||
| 11 | daß er ihr Gemüth mit einem wichtigen Geheimnisse belästigt, dessen Aufbewahrung | ||||||
| 12 | ihm allein obliegt? Selbst viele von ihren Schwachheiten sind | ||||||
| 13 | so zu reden schöne Fehler. Beleidigung oder Unglück bewegen ihre zarte | ||||||
| 14 | Seele zur Wehmuth. Der Mann muß niemals andre als großmüthige | ||||||
| 15 | Thränen weinen. Die, so er in Schmerzen oder über Glücksumstände vergießt, | ||||||
| 16 | machen ihn verächtlich. Die Eitelkeit, die man dem schönen Geschlechte | ||||||
| 17 | so vielfältig vorrückt, wofern sie ja an demselben ein Fehler ist, | ||||||
| 18 | so ist sie nur ein schöner Fehler. Denn zu geschweigen, daß die Mannspersonen, | ||||||
| 19 | die dem Frauenzimmer so gerne schmeicheln, übel daran sein | ||||||
| 20 | würden, wenn dieses nicht geneigt wäre es wohl aufzunehmen, so beleben | ||||||
| 21 | sie dadurch wirklich ihre Reize. Diese Neigung ist ein Antrieb, Annehmlichkeiten | ||||||
| 22 | und den guten Anstand zu zeigen, ihren munteren Witz spielen | ||||||
| 23 | zu lassen, imgleichen durch die veränderliche Erfindungen des Putzes zu | ||||||
| 24 | schimmern und ihre Schönheit zu erhöhen. Hierin ist nun so gar nichts | ||||||
| 25 | Beleidigendes für andere, sondern vielmehr, wenn es mit gutem Geschmacke | ||||||
| 26 | gemacht wird, so viel Artiges, daß es sehr ungezogen ist dagegen | ||||||
| 27 | mit mürrischem Tadel loszuziehen. Ein Frauenzimmer, das hierin gar | ||||||
| 28 | zu flatterhaft und gaukelnd ist, heißt eine Närrin; welcher Ausdruck | ||||||
| 29 | gleichwohl keine so harte Bedeutung hat, als mit veränderter Endsilbe | ||||||
| 30 | beim Manne, so gar daß, wenn man sich untereinander versteht, es wohl | ||||||
| 31 | bisweilen eine vertrauliche Schmeichelei anzeigen kann. Wenn die Eitelkeit | ||||||
| 32 | ein Fehler ist, der an einem Frauenzimmer sehr wohl Entschuldigung | ||||||
| 33 | verdient, so ist das aufgeblasene Wesen an ihnen nicht allein, so wie | ||||||
| 34 | an Menschen überhaupt tadelhaft, sondern verunstaltet gänzlich ihren Geschlechtscharakter. | ||||||
| 35 | Denn diese Eigenschaft ist überaus dumm und häßlich | ||||||
| 36 | und dem einnehmenden bescheidenen Reize gänzlich entgegen gesetzt. Alsdann | ||||||
| 37 | ist eine solche Person in einer schlüpfrigen Stellung. Sie wird sich | ||||||
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