Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 127 |
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| 01 | nothwendigen Einheit aber auf eben dasselbe Wesen als einen Urheber | ||||||
| 02 | sogar der Materie und des Grundstoffes aller Naturdinge. | ||||||
| 03 | 6. Man erweitere diese Methode durch allgemeine Regeln, welche | ||||||
| 04 | die Gründe der Wohlgereimtheit desjenigen, was mechanisch oder auch | ||||||
| 05 | geometrisch nothwendig ist, mit dem Besten des Ganzen können verständlich | ||||||
| 06 | machen, und verabsäume nicht, selbst die Eigenschaften des Raumes | ||||||
| 07 | in diesem Gesichtspunkte zu erwägen und aus der Einheit in dem großen | ||||||
| 08 | Mannigfaltigen desselben den nämlichen Hauptbegriff zu erläutern. | ||||||
| 09 | 4. |
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| 10 | Erläuterung dieser Regeln. |
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| 11 | Ich will einige Beispiele anführen, um die gedachte Methode verständlicher | ||||||
| 12 | zu machen. Die Gebirge der Erde sind eine der nützlichsten | ||||||
| 13 | Verfassungen auf derselben, und Burnet, der sie für nichts Bessers, als | ||||||
| 14 | eine wilde Verwüstung zur Strafe unserer Sünde ansieht, hat ohne Zweifel | ||||||
| 15 | Unrecht. Nach der gewöhnlichen Methode der Physikotheologie werden die | ||||||
| 16 | ausgebreitete Vortheile dieser Bergstrecken erzählt, und darauf werden | ||||||
| 17 | sie als eine göttliche Anstalt durch große Weisheit um so vielfältig abgezielter | ||||||
| 18 | Nutzen willen angesehen. Nach einer solchen Art zu urtheilen wird | ||||||
| 19 | man auf die Gedanken gebracht: daß allgemeine Gesetze ohne eine eigene | ||||||
| 20 | künstliche Anordnung auf diesen Fall eine solche Gestalt der Erdfläche | ||||||
| 21 | nicht zuwege gebracht hätten, und die Berufung auf den allmächtigen | ||||||
| 22 | Willen gebietet der forschenden Vernunft ein ehrerbietiges Schweigen. Dagegen | ||||||
| 23 | ist nach einer besser unterwiesenen Denkungsart der Nutze und die | ||||||
| 24 | Schönheit dieser Naturanstalt gar kein Grund, die allgemeine und einfältige | ||||||
| 25 | Wirkungsgesetze der Materie vorbei zu gehen, um diese Verfassung | ||||||
| 26 | nicht als eine Nebenfolge derselben anzusehen. Es möchte vielleicht schwer | ||||||
| 27 | auszumachen sein: ob die Kugelfigur der Erde überhaupt nicht von noch | ||||||
| 28 | beträchtlicherem Vortheile und wichtigern Folgen sei, als diejenigen Unebenheiten, | ||||||
| 29 | die ihre Oberfläche von dieser abgemessenen Rundung etwas | ||||||
| 30 | abweichen machen. Gleichwohl findet kein Philosoph einiges Bedenken sie | ||||||
| 31 | als eine Wirkung der allgemeinsten statischen Gesetze in der allerältesten | ||||||
| 32 | Epoche der Welt anzusehen. Warum sollten die Ungleichheiten und Hervorragungen | ||||||
| 33 | nicht auch zu solchen natürlichen und ungekünstelten Wirkungen | ||||||
| 34 | gehören? Es scheint: daß bei einem jeden großen Weltkörper der | ||||||
| 35 | Zustand, da er aus der Flüssigkeit in die Festigkeit allmählig übergeht, | ||||||
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