Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 101

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 daß eine so große Fruchtbarkeit in dem Wesen eines einzigen, so einfachen      
  02 Grundes liegt, so viel schon in seiner Möglichkeit liegende Schicklichkeit      
  03 und Harmonie, welche nicht neuer Vorkehrungen bedarf, um mit andern      
  04 möglichen Dingen einer Welt mannigfaltigen Regeln der Ordnung gemäß      
  05 sich zusammen zu schicken, daß kann gewiß nicht wiederum einer freien      
  06 Wahl beigemessen werden; weil aller Entschluß eines Willens die Erkenntniß      
  07 der Möglichkeit des zu Beschließenden voraus setzt.      
           
  08 Alles dasjenige, dessen Grund in einer freien Wahl gesucht werden      
  09 soll, muß in so fern auch zufällig sein. Nun ist die Vereinigung vieler und      
  10 mannigfaltiger Folgen unter einander, die nothwendig aus einem einzigen      
  11 Grunde fließen, nicht eine zufällige Vereinigung; mithin kann diese nicht      
  12 einer freiwilligen Bestimmung zugeschrieben werden. So haben wir oben      
  13 gesehn, daß die Möglichkeit der Pumpwerke, des Athems, die Erhebung      
  14 der flüssigen Materien, wenn welche da sind, in Dünste, die Winde etc. von      
  15 einander unzertrennlich sind, weil sie alle aus einem einzigen Grunde      
  16 nämlich die Elasticität und Schwere der Luft, abhängen, und diese Übereinstimmung      
  17 des Mannigfaltigen in Einem ist daher keinesweges zufällig      
  18 und also nicht einem moralischen Grunde beizumessen.      
           
  19 Ich gehe hier nur immer auf die Beziehung, die das Wesen der Luft,      
  20 oder eines jeden andern Dinges zu der möglichen Hervorbringung so      
  21 vieler schönen Folgen hat, das ist, ich betrachte nur die Tauglichkeit      
  22 ihrer Natur zu so viel Zwecken, und da ist die Einheit wegen der Übereinstimmung      
  23 eines einigen Grundes zu so viel möglichen Folgen gewiß      
  24 nothwendig, und diese mögliche Folgen sind in so fern von einander und      
  25 von dem Dinge selbst unzertrennlich. Was die wirkliche Hervorbringung      
  26 dieser Nutzen anlangt, so ist sie in so fern zufällig, als eins von den      
  27 Dingen, darauf sich das Ding bezieht, fehlen, oder eine fremde Kraft die      
  28 Wirkung hindern kann.      
           
  29 In den Eigenschaften des Raums liegen schöne Verhältnisse und in      
  30 dem unermeßlich Mannigfaltigen seiner Bestimmungen eine bewundernswürdige      
  31 Einheit. Das Dasein aller dieser Wohlgereimtheit, in so fern      
  32 Materie den Raum erfüllen sollte, ist mit allen ihren Folgen der Willkür      
  33 der ersten Ursache beizumessen; allein was die Vereinbarung so vieler      
  34 Folgen, die alle mit den Dingen in der Welt in so großer Harmonie      
  35 stehen, unter einander anlangt, so würde es ungereimt sein, sie wiederum      
  36 in einem Willen zu suchen. Unter andern nothwendigen Folgen aus der      
           
     

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