Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 100 |
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| 01 | nicht blos auf das Dasein dieser Materie und der ihr ertheilten Eigenschaften | ||||||
| 02 | gehen müsse, sondern selbst auf die Möglichkeit einer Materie überhaupt | ||||||
| 03 | und auf das Wesen selbst, leuchtet dadurch deutlich in die Augen, | ||||||
| 04 | weil das, was einen Raum erfüllen soll, was der Bewegung des Stoßes | ||||||
| 05 | und Druckes soll fähig sein, gar nicht unter andern Bedingungen kann | ||||||
| 06 | gedacht werden, als diejenige sind, woraus die genannten Gesetze nothwendiger | ||||||
| 07 | Weise herfließen. Auf diesen Fuß sieht man ein: daß diese Bewegungsgesetze | ||||||
| 08 | der Materie schlechterdings nothwendig seien, das ist, wenn | ||||||
| 09 | die Möglichkeit der Materie voraus gesetzt wird, es ihr widerspreche, nach | ||||||
| 10 | andern Gesetzen zu wirken, welches eine logische Nothwendigkeit von der | ||||||
| 11 | obersten Art ist, daß gleichwohl die innere Möglichkeit der Materie selbst, | ||||||
| 12 | nämlich die Data und das Reale, was diesem Denklichen zum Grunde | ||||||
| 13 | liegt, nicht unabhängig oder für sich selbst gegeben sei, sondern durch | ||||||
| 14 | irgend ein Principium, in welchem das mannigfaltige Einheit und das | ||||||
| 15 | Verschiedene Verknüpfung bekommt, gesetzt sei, welches die Zufälligkeit | ||||||
| 16 | der Bewegungsgesetze im Realverstande beweiset. | ||||||
| 17 | Zweite Betrachtung. |
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| 18 | Unterscheidung der Abhängigkeit aller Dinge von Gott in die |
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| 19 | moralische und unmoralische. |
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| 20 | Ich nenne diejenige Abhängigkeit eines Dinges von Gott, da er ein | ||||||
| 21 | Grund desselben durch seinen Willen ist, moralisch, alle übrige aber ist | ||||||
| 22 | unmoralisch. Wenn ich demnach behaupte, Gott enthalte den letzten | ||||||
| 23 | Grund selbst der innern Möglichkeit der Dinge,so wird ein jeder leicht | ||||||
| 24 | verstehen, daß diese Abhängigkeit nur unmoralisch sein kann; denn der | ||||||
| 25 | Wille macht nichts möglich, sondern beschließt nur, was als möglich schon | ||||||
| 26 | vorausgesetzt ist. In so fern Gott den Grund von dem Dasein der Dinge | ||||||
| 27 | enthält, so gestehe ich, daß diese Abhängigkeit jederzeit moralisch sei, das | ||||||
| 28 | ist, daß sie darum existiren, weil er gewollt hat, daß sie sein sollten. | ||||||
| 29 | Es bietet nämlich die innere Möglichkeit der Dinge demjenigen, der | ||||||
| 30 | ihr Dasein beschloß, Materialien dar, die eine ungemeine Tauglichkeit zur | ||||||
| 31 | Übereinstimmung und eine in ihrem Wesen liegende Zusammenpassung | ||||||
| 32 | zu einem auf vielfältige Art ordentlichen und schönen Ganzen enthalten. | ||||||
| 33 | Daß ein Luftkreis existirt, kann um der daraus zu erreichenden Zwecke | ||||||
| 34 | willen Gott als einem moralischen Grunde beigemessen werden. Allein | ||||||
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