Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 097 |
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| 01 | peinliche und erzwungene Kunst entbehrlich macht, gleichwohl selber | ||||||
| 02 | nimmermehr dem Ungefähr beigemessen werden kann, sondern eine in den | ||||||
| 03 | Möglichkeiten selbst liegende Einheit und die gemeinschaftliche Abhängigkeit | ||||||
| 04 | selbst der Wesen aller Dinge von einem einigen großen Grunde anzeigt. | ||||||
| 05 | Ich werde diese sehr große Merkwürdigkeit durch einige leichte Beispiele | ||||||
| 06 | deutlich zu machen suchen, indem ich die Methode sorgfältig befolge, | ||||||
| 07 | aus dem, was durch Beobachtung unmittelbar gewiß ist, zu dem allgemeinern | ||||||
| 08 | Urtheile langsam hinauf zu steigen. | ||||||
| 09 | Man kann einen Nutzen unter tausend wählen, weswegen man es | ||||||
| 10 | als nöthig ansehen kann, daß ein Luftkreis sei, wenn man durchaus einen | ||||||
| 11 | Zweck zum Grunde zu haben verlangt, wodurch eine Anstalt in der Natur | ||||||
| 12 | zuerst veranlaßt worden. Ich räume also dieses ein und nenne etwa das | ||||||
| 13 | Athmen der Menschen und Thiere als die Endabsicht dieser Veranstaltung. | ||||||
| 14 | Nun giebt diese Luft durch die nämliche Eigenschaften und keine mehr, die | ||||||
| 15 | sie zum Athemholen allein bedürfte, zugleich Anlaß zu einer Unendlichkeit | ||||||
| 16 | von schönen Folgen, die damit nothwendiger Weise begleitet sind und | ||||||
| 17 | nicht dürfen durch besondere Anlagen befördert werden. Eben dieselbe | ||||||
| 18 | elastische Kraft und Gewicht der Luft macht das Saugen möglich, ohne | ||||||
| 19 | welches junge Thiere der Nahrung entbehren müßten, und die Möglichkeit | ||||||
| 20 | der Pumpwerke ist davon eine nothwendige Folge. Durch sie geschieht es, | ||||||
| 21 | daß Feuchtigkeit in Dünsten hinaufgezogen wird, welche sich oben in | ||||||
| 22 | Wolken verdicken, die den Tag verschönern, öfters die übermäßige Hitze | ||||||
| 23 | der Sonne mildern, vornehmlich aber dazu dienen, die trockene Gegenden | ||||||
| 24 | der Erdfläche durch den Raub von den Wasserbetten der niedrigen milde | ||||||
| 25 | zu befeuchten. Die Dämmerung, die den Tag verlängert und dem Auge | ||||||
| 26 | durch allmählige Zwischengrade den Überschritt von der Nacht zum Tage | ||||||
| 27 | unschädlich macht, und vornehmlich die Winde sind ganz natürliche und | ||||||
| 28 | ungezwungene Folgen derselben. | ||||||
| 29 | Stellet euch vor, ein Mensch mache sich einen Entwurf, wie die Küsten | ||||||
| 30 | der Länder des heißen Weltstrichs, die sonst heißer sein müßten als die | ||||||
| 31 | tiefer im Lande liegende Gegenden, eine etwas erträglichere Wärme | ||||||
| 32 | sollten genießen können, so wird er am natürlichsten auf einen Seewind | ||||||
| 33 | verfallen, der zu dieser Absicht in den heißesten Tagesstunden wehen | ||||||
| 34 | müßte. Weil aber, da es zur Nachtzeit über der See viel geschwinder kalt | ||||||
| 35 | wird als über dem Lande, nicht zuträglich sein dürfte, daß derselbe Wind | ||||||
| 36 | immer wehte, so würde er wünschen, daß es der Vorsehung gefallen hätte | ||||||
| 37 | es so zu veranstalten, damit in den mittlern Stunden der Nacht der Wind | ||||||
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