Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 096

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 den gegenseitigen Beziehungen haben könnte, wird man dadurch nicht eben      
  02 sowohl, wie durch die Harmonie in den zufälligen Anstalten der Natur      
  03 auf die Vermuthung eines obersten Grundes selbst der Wesen der Dinge      
  04 geführt, da die Einheit des Grundes auch Einheit in dem Umfange aller      
  05 Folgen veranlaßt?      
           
  06
2.
     
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Die Einheit im Mannigfaltigen der Wesen der Dinge,
     
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gewiesen an demjenigen, was in den Bewegungsgesetzen
     
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nothwendig ist.
     
           
  10 Wenn man in der Natur eine Anordnung entdeckt, die um eines besondern      
  11 Zwecks willen scheint getroffen zu sein, indem sie sich nicht blos      
  12 nach den allgemeinen Eigenschaften der Materie würde dargeboten haben,      
  13 so sehen wir diese Anstalt als zufällig und als die Folge einer Wahl an.      
  14 Zeigen sich nun neue Übereinstimmung, Ordnung und Nutzen und besonders      
  15 dazu abgerichtete Mittelursachen, so beurtheilen wir dieselbe auf die      
  16 ähnliche Art; dieser Zusammenhang ist der Natur der Sachen ganz fremd,      
  17 und blos weil es jemand beliebt hat sie so zu verknüpfen, stehen sie in      
  18 dieser Harmonie. Man kann keine allgemeine Ursache angeben, weswegen      
  19 die Klauen der Katze, des Löwen u. a. m. so gebauet sind, daß sie sporen,      
  20 das ist, sich zurücklegen können, als weil irgend ein Urheber sie zu dem      
  21 Zwecke, um vor dem Abschleifen gesichert zu sein, so angeordnet hat, indem      
  22 diese Thiere geschickte Werkzeuge haben müssen, ihren Raub zu ergreifen      
  23 und zu halten. Allein wenn gewisse allgemeinere Beschaffenheiten, die      
  24 der Materie beiwohnen, außer einem Vortheile, den sie schaffen, und um      
  25 dessen willen man sich vorstellen kann, daß sie so geordnet worden, ohne      
  26 die mindeste neue Vorkehrung gleichwohl eine besondere Tauglichkeit zu      
  27 noch mehr Übereinstimmung zeigen, wenn ein einfältiges Gesetz, das jedermann      
  28 um eines gewissen Guten willen allein schon nöthig finden würde,      
  29 gleichwohl eine ausgebreitete Fruchtbarkeit an noch viel mehrerem zeigt,      
  30 wenn die übrigen Nutzen und Wohlgereimtheiten daraus ohne Kunst,      
  31 sondern vielmehr nothwendiger Weise fließen, wenn endlich dieses sich      
  32 durch die ganze materiale Natur so befindet: so liegen offenbar selbst in      
  33 den Wesen der Dinge durchgängige Beziehungen zur Einheit und zum Zusammenhange,      
  34 und eine allgemeine Harmonie breitet sich über das Reich      
  35 der Möglichkeit selber aus. Dieses veranlaßt eine Bewunderung über so      
  36 viel Schicklichkeit und natürliche Zusammenpassung, die, indem sie die      
           
     

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