Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 083 |
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01 | 2. |
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02 | Es existirt ein schlechterdings nothwendiges Wesen. |
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03 | Alle Möglichkeit setzt etwas Wirkliches voraus, worin und wodurch | ||||||
04 | alles Denkliche gegeben ist. Demnach ist eine gewisse Wirklichkeit, deren | ||||||
05 | Aufhebung selbst alle innere Möglichkeit überhaupt aufheben würde. Dasjenige | ||||||
06 | aber, dessen Aufhebung oder Verneinung alle Möglichkeit vertilgt, | ||||||
07 | ist schlechterdings nothwendig. Demnach existirt etwas absolut nothwendiger | ||||||
08 | Weise. Bis dahin erhellt, daß ein Dasein eines oder mehrerer | ||||||
09 | Dinge selbst aller Möglichkeit zum Grunde liege, und daß dieses Dasein | ||||||
10 | an sich selbst nothwendig sei. Man kann hieraus auch leichtlich den Begriff | ||||||
11 | der Zufälligkeit abnehmen. Zufällig ist nach der Worterklärung, dessen | ||||||
12 | Gegentheil möglich ist. Um aber die Sacherklärung davon zu finden, so | ||||||
13 | muß man auf folgende Art unterscheiden. Im logischen Verstande ist dasjenige | ||||||
14 | als ein Prädicat an einem Subjecte zufällig, dessen Gegentheil demselben | ||||||
15 | nicht widerspricht. Z. E. Einem Triangel überhaupt ist es zufällig, | ||||||
16 | daß er rechtwinklicht sei. Diese Zufälligkeit findet lediglich bei der Beziehung | ||||||
17 | der Prädicate zu ihren Subjecten statt und leidet, weil das Dasein | ||||||
18 | kein Prädicat ist, auch gar keine Anwendung auf die Existenz. Dagegen | ||||||
19 | ist im Realverstande zufällig dasjenige, dessen Nichtsein zu denken | ||||||
20 | ist, das ist, dessen Aufhebung nicht alles Denkliche aufhebt. Wenn demnach | ||||||
21 | die innere Möglichkeit der Dinge ein gewisses Dasein nicht voraussetzt, | ||||||
22 | so ist dieses zufällig, weil sein Gegentheil die Möglichkeit nicht aufhebt. | ||||||
23 | Oder: Dasjenige Dasein, wodurch nicht das Materiale zu allem | ||||||
24 | Denklichen gegeben ist, ohne welches also noch etwas zu denken, das ist, | ||||||
25 | möglich ist, dessen Gegentheil ist im Realverstande möglich, und das ist | ||||||
26 | in eben demselben Verstande auch zufällig. | ||||||
27 | 3. |
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28 | Das nothwendige Wesen ist einig. |
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29 | Weil das nothwendige Wesen den letzten Realgrund aller andern | ||||||
30 | Möglichkeit enthält, so wird ein jedes andere Ding nur möglich sein, in so | ||||||
31 | fern es durch ihn als einen Grund gegeben ist. Demnach kann ein jedes | ||||||
32 | andere Ding nur als eine Folge von ihm statt finden und ist also aller | ||||||
33 | andern Dinge Möglichkeit und Dasein von ihm abhängend. Etwas aber, | ||||||
34 | was selbst abhängend ist, enthält nicht den letzten Realgrund aller Möglichkeit | ||||||
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