Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 071 |
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01 | hier hat eine subtilere Nachforschung aus einem unglücklich gekünstelten, | ||||||
02 | sonst sehr reinen Begriff irrige Schlüsse gezogen, die sich über einen der | ||||||
03 | erhabensten Theile der Weltweisheit verbreitet haben. | ||||||
04 | Man erwarte nicht, daß ich mit einer förmlichen Erklärung des Daseins | ||||||
05 | den Anfang machen werde. Es wäre zu wünschen, daß man dieses | ||||||
06 | niemals thäte, wo es so unsicher ist, richtig erklärt zu haben, und dieses ist | ||||||
07 | es öfter, als man wohl denkt. Ich werde so verfahren als einer, der die | ||||||
08 | Definition sucht und sich zuvor von demjenigen versichert, was man mit | ||||||
09 | Gewißheit bejahend oder verneinend von dem Gegenstande der Erklärung | ||||||
10 | sagen kann, ob er gleich noch nicht ausmacht, worin der ausführlich bestimmte | ||||||
11 | Begriff desselben bestehe. Lange vorher, ehe man eine Erklärung | ||||||
12 | von seinem Gegenstande wagt, und selbst dann, wenn man sich gar nicht | ||||||
13 | getraut sie zu geben, kann man viel von derselben Sache mit größter Gewißheit | ||||||
14 | sagen. Ich zweifle, daß einer jemals richtig erklärt habe, was der | ||||||
15 | Raum sei. Allein ohne mich damit einzulassen, bin ich gewiß, daß, wo er | ||||||
16 | ist, äußere Beziehungen sein müssen, daß er nicht mehr als drei Abmessungen | ||||||
17 | haben könne, etc. Eine Begierde mag sein, was sie will, | ||||||
18 | so gründet sie sich auf irgend eine Vorstellung, sie setzt eine Lust an dem | ||||||
19 | Begehrten voraus u.s.f. Oft kann aus diesem, was man vor aller | ||||||
20 | Definition von der Sache gewiß weiß, das, was zur Ansicht unserer Untersuchung | ||||||
21 | gehört, ganz sicher hergeleitet werden, und man wagt sich alsdann | ||||||
22 | in unnöthige Schwierigkeiten, wenn man sich bis dahin versteigt. Die | ||||||
23 | Methodensucht, die Nachahmung des Mathematikers, der auf einer wohlgebähnten | ||||||
24 | Straße sicher fortschreitet, auf dem schlüpfrigen Boden der | ||||||
25 | Metaphysik hat eine Menge solcher Fehltritte veranlaßt, die man beständig | ||||||
26 | vor Augen sieht, und doch ist wenig Hoffnung, daß man dadurch gewarnt | ||||||
27 | und behutsamer zu sein lernen werde. Diese Methode ist es allein, kraft | ||||||
28 | welcher ich einige Aufklärungen hoffe, die ich vergeblich bei andern gesucht | ||||||
29 | habe; denn was die schmeichelhafte Vorstellung anlangt, die man sich | ||||||
30 | macht, daß man durch größere Scharfsinnigkeit es besser als andre treffen | ||||||
31 | werde, so versteht man wohl, daß jederzeit alle so geredet haben, die uns | ||||||
32 | aus einem fremden Irrthum in den ihrigen haben ziehen wollen. | ||||||
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