Kant: AA II, Die falsche Spitzfindigkeit der ... , Seite 048 |
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Text (Kant):
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| 01 | daß etwas dem unmittelbaren Merkmal einer Sache widerstreite. Zufällig | ||||||
| 02 | widerstreitet als ein Merkmal dem Nothwendigen; nothwendig | ||||||
| 03 | aber ist ein Merkmal von Gott, und man erkennt also vermittelst eines | ||||||
| 04 | Zwischenmerkmals, daß zufällig sein Gott widerspreche. | ||||||
| 05 | Nunmehr errichte ich meine Realerklärung von einem Vernunftschlusse. | ||||||
| 06 | Ein jedes Urtheil durch ein mittelbares Merkmal ist | ||||||
| 07 | ein Vernunftschluß, oder mit andern Worten: er ist die Vergleichung | ||||||
| 08 | eines Merkmals mit einer Sache vermittelst eines Zwischenmerkmals. | ||||||
| 09 | Dieses Zwischenmerkmal ( nota intermedia ) in einem Vernunftschluß heißt | ||||||
| 10 | auch sonst der mittlere Hauptbegriff ( terminus medius ); welches die | ||||||
| 11 | andere Hauptbegriffe sind, ist genugsam bekannt. | ||||||
| 12 | Um die Beziehung des Merkmals zu der Sache in dem Urtheile: die | ||||||
| 13 | menschliche Seele ist ein Geist, deutlich zu erkennen, bediene ich mich | ||||||
| 14 | des Zwischenmerkmals vernünftig, so daß ich vermittelst desselben ein | ||||||
| 15 | Geist zu sein als ein mittelbares Merkmal der menschlichen Seele ansehe. | ||||||
| 16 | Es müssen nothwendig hier drei Urtheile vorkommen, nämlich: | ||||||
| 17 | 1. Ein Geist sein ist Merkmal des Vernünftigen; | ||||||
| 18 | 2. Vernünftig ist ein Merkmal der menschlichen Seele; | ||||||
| 19 | 3. Ein Geist sein ist ein Merkmal der menschlichen Seele; | ||||||
| 20 | denn die Vergleichung eines entfernten Merkmals mit der Sache selbst ist | ||||||
| 21 | nicht anders wie durch diese drei Handlungen möglich. | ||||||
| 22 | In der Form der Urtheile würden sie so lauten: Alles Vernünftige | ||||||
| 23 | ist ein Geist, die Seele des Menschen ist vernünftig, folglich ist die Seele | ||||||
| 24 | des Menschen ein Geist. Dieses ist nun ein bejahender Vernunftschluß. | ||||||
| 25 | Was die verneinenden anlangt, so fällt es eben so leicht in die Augen, | ||||||
| 26 | daß, weil ich den Widerstreit eines Prädicats und Subjects nicht jederzeit | ||||||
| 27 | klar genug erkenne, ich mich, wenn ich kann, des Hülfsmittels bedienen | ||||||
| 28 | müsse, meine Einsicht durch ein Zwischenmerkmal zu erleichtern. Setzet, | ||||||
| 29 | man lege mir das verneinende Urtheil vor: Die Dauer Gottes ist durch | ||||||
| 30 | keine Zeit zu messen, und ich finde nicht, daß mir dieses Prädicat, so unmittelbar | ||||||
| 31 | mit dem Subjecte verglichen, eine genugsam klare Idee des | ||||||
| 32 | Widerstreits gebe, so bediene ich mich eines Merkmals, das ich mir unmittelbar | ||||||
| 33 | in diesem Subjecte vorstellen kann, und vergleiche das Prädicat | ||||||
| 34 | damit und vermittelst desselben mit der Sache selbst. Durch die Zeit | ||||||
| 35 | meßbar sein widerstreitet allem Unveränderlichen, unveränderlich | ||||||
| 36 | aber ist ein Merkmal Gottes, also etc. Dieses förmlich ausgedrückt | ||||||
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