Kant: Briefwechsel, Brief 200, An Carl Daniel Reusch.

     
           
 

 

 

 

 

 
  An Carl Daniel Reusch.      
           
  5. Iuli 1783.      
           
  Ich habe Ew: Wohlgeb: mir zugeschickte Abhandlung mit Vergnügen      
  durchgelesen. Sie ist das Beste, so wohl in Ansehung der      
  Ausführlichkeit, als doch zugleich der Kürze, Ordnung und Deutlichkeit,      
  was mir in dieser Art noch zu Handen gekommen und Sie würden      
  das Publicum verbinden, wenn Sie dieselbe, im Fall die Bewafnung      
  des Thurms, nach Ihrer Anordnung, (wie ich hoffe) zu Stande kommt,      
  zusammt denen nach der localitaet getroffenen Verfügungen, im Drucke      
  bekannt machen würden.      
           
  Ew: Wohlgeb: erwähnen (auf der 4ten Seite vom Ende) des      
  Schusterbrunnens, als eines solchen, der etwa 500 Schritte weit von      
  der Kirche abläge, 72 Fuß Tiefe und nur 3 Schuh Wasser hätte. Mir      
  ist nur ein Brunnen bekannt, der den Nahmen des Schusters Hans      
  v. Sagan führete, und Westwerts von dem Thurme, bey weitem nicht      
  500 Schritte, noch weniger 72 Fuß tief, in einem mittelmäßig tiefen      
  Bassin eingegraben, in meinen Kinderjahren von mir selbst u. andern      
  häufig besucht wurde, der jetzt, nach ausgefülltem Bassin, in eine      
  Plumpe verwandelt worden, die gegen über dem kleinen Lazareth steht      
  und mithin, nach der Natur einer Plumpe, von der Oberfläche des      
  Erdreichs an noch nicht 30 Fuß tief seyn kan. Dahin könnte der Ableiter,      
  meiner Meynung nach, ohne sonderliche Kosten gar wohl geführt      
  werden; auch dürfte der Drath nicht viel über die Dicke eines Federkiels      
  (S. Ihre Abhandl: S 3. No 5) haben, um ihm die Biegsamkeit      
  zu erhalten, da denn das Zusammenschweissen (welches doch eine      
  vollkommenere Berührung schaft, als das Einschrauben, und nicht die      
  Gefahr hat, die das Löthen mit ungleichartiger Materie verursacht)      
  zur beliebigen Verlängerung gebraucht werden könnte.      
           
  Wegen des Sansfaéon=Stils, in dem M. Anschreiben, wollte ich      
  unmaßgeblich vorschlagen, damit anzufangen: daß, wenn von einem      
  Handwerker, der irgendwo auswärtig zu Verfertigung und Anbringung      
  eines Gewitterableiters gebraucht worden, die Frage wäre, so würde      
  E. E. Magistrat, ob ein solcher sich in Königsberg befinde, am besten      
  erkundigen können: indessen schiene dieses ohne Nutzen zu seyn, weil,      
  da die localitaet jederzeit besondere Vorrichtungen erfodert, die allein      
  der Naturkundige beurtheilen kan, ein gemeiner Künstler, dergleichen      
           
  wir hier viele haben, nach der Anweisung die ihm gegeben worden,      
  alles eben so gut verfertigen würde als er es auswärtig, aber immer      
  nach der Vorschrift irgend eines Gelehrten, gemacht hätte etc. Alsdenn      
  könnten Ew: Wohlgeb: die Ursache kürzlich anzeigen, weswegen Sie      
  vordem Bedenken getragen, zu dieser Bewafnung zu rathen, (denn es      
  scheint, es liege den Anfragenden noch im Kopfe, daß damals die Veranstaltung      
  wiederrathen worden und besorgen, es dürfte jetzt wiederum      
  geschehen) - meinem Bedünken nach könnte als Ursache blos die genannt      
  werden: daß man damals Ihnen kein gnugsam nahes Wasser      
  hätte vorschlagen können und die Gegend umher Ihnen nicht hinreichend      
  bekannt gewesen wäre - Ietzt aber fielen nach näherer Erkundigung      
  der Gegend, und, da man einen Ort fände, die Gewitter=Electricität      
  abfließen zu lassen, die Bedenklichkeiten weg (denn jetzt scheint es mir      
  nicht rathsam, noch neue Besorgnis, wegen Unzulanglichkeit dieser Zurüstung,      
  zu erregen, ausser der allgemeinen, die bey allen Ableitern      
  bleibt) und denn könnte der Vorschlag, was von Magistratsseiten, in      
  Absicht auf die Besichtigung der Umstände des Orts, zu verfügen      
  wäre, vorgeschlagen werden.      
           
  Dero Abhandlung, die ich hiedurch mit ergebenstem Danke zurückschicke,      
  füge ich noch den Febr: 1783 von der Berlin: Mon: Schrift      
  bey, wo Sie S. 133 - Sie ist durch ein Stück Papier gezeichnet      
  ähnliche Vorrichtungen in der Gegend um Dresden antreffen werden      
  und bin mit vollkommener Hochachtung      
           
    Ew: Wohlgeb:      
    gantz ergebenster      
    Diener      
    I Kant      
    den 5 July: 1783.      
           
           
           
     

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