Kant: AA XVI, Einleitung in die Vernunftlehre. [L §. ... , Seite 044 |
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| 01 | Aber nachdem die obiecte Verschieden seyn, müssen auch verschiedene | ||||||
| 02 | Regeln des Denkens seyn, z. B. andere Regeln im Gegenstand der Erfahrung | ||||||
| 03 | als im Gegenstand der bloßen Vernunft (Tugend), andere Regeln | ||||||
| 04 | des Verstandes vor äußere Erfahrung als vor innere. Jede Wissenschaft | ||||||
| 05 | hat ihre besondere Regeln. | ||||||
| 06 | Es muß aber doch auch eine Geben, die vor allen Wissenschaften | ||||||
| 07 | vorgeht und die Regeln des Denkens überhaupt enthält. Hier muß | ||||||
| 08 | von allem unterschiede der obiecte abstrahirt werden. | ||||||
| 09 | Von aller Materie der Erkentnis. | ||||||
| 10 | Also wird eine solche Wissenschaft (g blos ) die Form des Denkens | ||||||
| 11 | unter Regeln bringen. Z. B. Was ist ein Begrif? was ist ein deutlicher | ||||||
| 12 | Begrif? was ist ein Urtheil, eine Bestimmung? Diese Regeln sind nothwendige | ||||||
| 13 | (s ohne die gar nicht gedacht werden kan, abstrahiren also vom | ||||||
| 14 | Unterschied der obiecten ) und wesentliche des Denkens überhaupt. Logic. | ||||||
| 15 | Sie ist die propaedevtic aller Wissenschaften und Critic des Gesunden | ||||||
| 16 | Verstandes. Sie ist aber nicht auf empirischen (s psychologischen ) Principien | ||||||
| 17 | gegründet; sonst konte sie nicht nothwendige Regeln vor ieden | ||||||
| 18 | Verstand enthalten. Sie bedarf keine Untersuchung des Ursprungs der | ||||||
| 19 | Begriffe; sie redet von Begriffen überhaupt, nicht wodurch sie in uns erzeugt | ||||||
| 20 | werden, sondern was sie seyn. Die empirische Psychologie liegt ihr | ||||||
| 21 | nicht zum Grunde. | ||||||
| 22 | Ihr Gebrauch ist Critic* des Verstandes überhaupt (s ars cogitandi ) | ||||||
| 23 | (s aber nicht blos Critik ), unterscheidet sich aber von der Critik des Geschmacks | ||||||
| 24 | darin, daß sie einen Canon zum Grunde liegen hat zugleich doctrin | ||||||
| 25 | ist, d. i. Principien a priori enthält, welche sich demonstriren lassen, weil | ||||||
| 26 | sie nothwendig seyn (g Geschmack nicht ). Denn der Verstand verfährt | ||||||
| 27 | nach Regeln; aber er bestimmt selbst auch überhaupt, was dazu gehöre, | ||||||
| 28 | damit etwas eine Regel sey. | ||||||
| 29 | * (s Da die (s That ) Beurtheilung vor den Regeln vorher geht. | ||||||
| 30 | Doctrin: Da die Regeln vor der (s That ) Beurtheilung vorher gehen | ||||||
| 31 | müssen. ) | ||||||
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