Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 308 |
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01 | Mannes Wirthschaft ist Erwerben, die des Weibes Sparen. - Der | ||||||
02 | Mann ist eifersüchtig, wenn er liebt; die Frau auch, ohne daß sie liebt: | ||||||
03 | weil so viel Liebhaber, als von andern Frauen gewonnen worden, doch | ||||||
04 | ihrem Kreise der Anbeter verloren sind. - Der Mann hat Geschmack für | ||||||
05 | sich, die Frau macht sich selbst zum Gegenstande des Geschmacks für | ||||||
06 | jedermann. - "Was die Welt sagt, ist wahr, und was sie thut, gut" | ||||||
07 | ist ein weiblicher Grundsatz, der sich schwer mit einem Charakter in der | ||||||
08 | engen Bedeutung des Worts vereinigen läßt. Es gab aber doch wackere | ||||||
09 | Weiber, die in Beziehung auf ihr Hauswesen einen dieser ihrer Bestimmung | ||||||
10 | angemessenen Charakter mit Ruhm behaupteten. - Dem Milton | ||||||
11 | wurde von seiner Frau zugeredet, er solle doch die ihm nach Cromwells | ||||||
12 | Tode angetragene Stelle eines lateinischen Secretärs annehmen, ob es | ||||||
13 | zwar seinen Grundsätzen zuwider war, jetzt eine Regierung für rechtlich | ||||||
14 | zu erklären, die er vorher als widerrechtlich vorgestellt hatte. "Ach", antwortete | ||||||
15 | er ihr, "meine Liebe, Sie und andere Ihres Geschlechts wollen in | ||||||
16 | Kutschen fahren, ich aber - muß ein ehrlicher Mann sein." - Die Frau | ||||||
17 | des Sokrates, vielleicht auch die Hiobs wurden durch ihre wackern Männer | ||||||
18 | eben so in die Enge getrieben, aber männliche Tugend behauptet sich | ||||||
19 | in ihrem Charakter, ohne doch der weiblichen das Verdienst des ihrigen | ||||||
20 | in dem Verhältniß, worein sie gesetzt waren, zu schmälern. | ||||||
21 | Pragmatische Folgerungen. |
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22 | Das weibliche Geschlecht muß sich im Praktischen selbst ausbilden | ||||||
23 | und discipliniren; das männliche versteht sich darauf nicht. | ||||||
24 | Der junge Ehemann herrscht über seine ältere Ehefrau. Dieses | ||||||
25 | gründet sich auf Eifersucht, nach welcher der Theil, welcher dem anderen | ||||||
26 | im Geschlechtsvermögen unterlegen ist, vor Eingriffen des anderen Theils | ||||||
27 | in seine Rechte besorgt ist und dadurch sich zur willfährigen Begegnung | ||||||
28 | und Aufmerksamkeit gegen ihn zu bequemen genöthigt sieht. - Daher | ||||||
29 | wird jede erfahrene Ehefrau die Heirath mit einem jungen Manne auch | ||||||
30 | nur von gleichem Alter widerrathen; denn im Fortgange der Jahre | ||||||
31 | ältert doch der weibliche Theil früher als der männliche, und wenn man | ||||||
32 | auch von dieser Ungleichheit absieht, so ist auf die Eintracht, welche sich | ||||||
33 | auf Gleichheit gründet, nicht mit Sicherheit zu rechnen, und ein junges, | ||||||
34 | verständiges Weib wird mit einem gesunden, aber doch merklich älteren | ||||||
35 | Manne das Glück der Ehe doch besser machen. - Ein Mann aber, der | ||||||
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