Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 307 |
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01 | - Sie muß kalt, der Mann dagegen in der Liebe affectenvoll zu sein | ||||||
02 | scheinen. Einer verliebten Ausforderung nicht zu gehorchen, scheint dem | ||||||
03 | Manne, ihr aber leicht Gehör zu geben, dem Weibe schimpflich zu sein. | ||||||
04 | Die Begierde des letzteren, ihre Reize auf alle feine Männer spielen zu | ||||||
05 | lassen, ist Koketterie, die Affection, in alle Weiber verliebt zu scheinen, | ||||||
06 | Galanterie; beides kann ein bloßes zur Mode gewordenes Geziere, ohne | ||||||
07 | alle ernstliche Folge sein: so wie das Cicisbeat eine affectirte Freiheit | ||||||
08 | des Weibes in der Ehe, oder das gleichfalls ehedem in Italien gewesene | ||||||
09 | Courtisanenwesen [ In der historia concilii Tridentini heißt es unter | ||||||
10 | andern: erant ibi etiam 300 honestae meretrices, quas cortegianas | ||||||
11 | vocant ], von dem man erzählt, daß es mehr geläuterte Cultur des gesitteten | ||||||
12 | öffentlichen Umgangs enthalten habe, als die der gemischten Gesellschaften | ||||||
13 | in Privathäusern.- Der Mann bewirbt sich in der Ehe nur um | ||||||
14 | seines Weibes, die Frau aber um aller Männer Neigung; sie putzt sich | ||||||
15 | nur für die Augen ihres Geschlechts aus Eifersucht, andere Weiber in | ||||||
16 | Reizen oder im Vornehmthun zu übertreffen: der Mann hingegen für das | ||||||
17 | weibliche, wenn man das Putz nennen kann, was nur so weit geht, um | ||||||
18 | seiner Frau durch seinen Anzug nicht Schande zu machen.- Der Mann | ||||||
19 | beurtheilt weibliche Fehler gelind, die Frau aber (öffentlich) sehr strenge, | ||||||
20 | und junge Frauen, wenn sie die Wahl hätten, ob ihr Vergehen von einem | ||||||
21 | männlichen oder weiblichen Gerichtshofe abgeurtheilt werden solle, würden | ||||||
22 | sicher den ersten zu ihrem Richter wählen.- Wenn der verfeinerte Luxus | ||||||
23 | hoch gestiegen ist, so zeigt sich die Frau nur aus Zwang sittsam und hat | ||||||
24 | kein Hehl zu wünschen, daß sie lieber Mann sein möchte, wo sie ihren Neigungen | ||||||
25 | einen größeren und freieren Spielraum geben könnte; kein Mann | ||||||
26 | aber wird ein Weib sein wollen. | ||||||
27 | Sie frägt nicht nach der Enthaltsamkeit des Mannes vor der Ehe; | ||||||
28 | Ihm aber ist an derselben auf Seiten der Frauen unendlich viel gelegen. | ||||||
29 | -In der Ehe spotten Weiber über Intoleranz (Eifersucht der Männer | ||||||
30 | überhaupt): es ist aber nur ihr Scherz; das unverehlichte Frauenzimmer | ||||||
31 | richtet hierüber mit großer Strenge. - Was die gelehrten Frauen betrifft: | ||||||
32 | so brauchen sie ihre Bücher etwa so wie ihre Uhr, nämlich sie zu tragen, | ||||||
33 | damit gesehen werde, daß sie eine haben; ob sie zwar gemeiniglich still | ||||||
34 | steht oder nicht nach der Sonne gestellt ist. | ||||||
35 | Weibliche Tugend oder Untugend ist von der männlichen nicht sowohl | ||||||
36 | der Art als der Triebfeder nach sehr unterschieden. - Sie soll geduldig, | ||||||
37 | Er muß duldend sein. Sie ist empfindlich, Er empfindsam. - Des | ||||||
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