Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 280

   
         
 

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  01 Gelehrten ungesund;*) nicht Restauration, sondern (vornehmlich    
  02 wenn es gar einsames Schwelgen wird) Exhaustion; erschöpfende Arbeit,    
  03 nicht belebendes Spiel der Gedanken. Der genießende Mensch, der im    
  04 Denken während der einsamen Mahlzeit an sich selbst zehrt, verliert allmählig    
  05 die Munterkeit, die er dagegen gewinnt, wenn ein Tischgenosse    
  06 ihm durch seine abwechselnde Einfälle neuen Stoff zur Belebung darbietet,    
  07 welchen er selbst nicht hat ausspüren dürfen.    
         
  08 Bei einer vollen Tafel, wo die Vielheit der Gerichte nur auf das    
  09 lange Zusammenhalten der Gäste ( coenam ducere ) abgezweckt ist, geht    
  10 die Unterredung gewöhnlich durch drei Stufen: 1) Erzählen, 2) Räsonniren    
  11 und 3) Scherzen. - A. Die Neuigkeiten des Tages, zuerst    
  12 einheimische, dann auch auswärtige, durch Privatbriefe und Zeitungen    
  13 eingelaufene. - B. Wenn dieser erste Appetit befriedigt ist, so wird die    
  14 Gesellschaft schon lebhafter; denn weil beim Vernünfteln Verschiedenheit    
  15 der Beurtheilung über ein und dasselbe auf die Bahn gebrachte Object    
  16 schwerlich zu vermeiden ist, und jeder doch von der seinigen eben nicht die    
  17 geringste Meinung hat, so erhebt sich ein Streit, der den Appetit für    
  18 Schüssel und Bouteille rege und nach dem Maße der Lebhaftigkeit dieses    
  19 Streits und der Theilnahme an demselben auch gedeihlich macht.    
  20 C. Weil aber das Vernünfteln immer eine Art von Arbeit und Kraftanstrengung    
  21 ist, diese aber durch einen während desselben ziemlich reichlichen    
  22 Genuß endlich beschwerlich wird: so fällt die Unterredung natürlicherweise    
  23 auf das bloße Spiel des Witzes, zum Teil auch dem anwesenden Frauenzimmer    
         
    *) Denn der philosophirende muß seine Gedanken fortdauernd bei sich herumtragen, um durch vielfältige Versuche ausfindig zu machen, an welche Principien er sie systematisch anknüpfen solle, und die Ideen, weil sie nicht Anschauungen sind, schweben gleichsam in der Luft ihm vor. Der historisch= oder mathematisch=gelehrte kann sie dagegen vor sich hinstellen und so sie mit der Feder in der Hand allgemeinen Regeln der Vernunft gemäß, doch gleich als Facta empirisch ordnen und so, weil das vorige in gewissen Punkten ausgemacht ist, den folgenden Tag die Arbeit von da fortsetzen, wo er sie gelassen hatte. - Was den Philosophen betrifft, so kann man ihn gar nicht als Arbeiter am Gebäude der Wissenschaften, d. i. nicht als Gelehrten, sondern muß ihn als Weisheitsforscher betrachten. Es ist die bloße Idee von einer Person, die den Endzweck alles Wissens sich praktisch und (zum Behuf desselben) auch theoretisch zum Gegenstande macht, und man kann diesen Namen nicht im Plural, sondern nur im Singular brauchen (der Philosoph urtheilt so oder so): weil er eine bloße Idee bezeichnet, Philosophen aber zu nennen eine Vielheit von dem andeuten würde, was doch absolute Einheit ist.    
         
     

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