Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 189 |
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01 | ein Freiheitsmechanismus gedacht wird, wovon der Begriff | ||||||
02 | sich selbst widerspricht. | ||||||
03 | Das Äußerste der Ungereimtheit, oder des Betrugs im Wahrsagern | ||||||
04 | war wohl dies, daß ein Verrückter für einen Seher (unsichtbarer Dinge) | ||||||
05 | gehalten wurde; als ob aus ihm gleichsam ein Geist rede, der die Stelle | ||||||
06 | der Seele, die so lange von der Behausung des Körpers Abschied genommen | ||||||
07 | habe, vertrete; und daß der arme Seelenkranke (oder auch nur Epileptische) | ||||||
08 | für einen Energumenen (Besessenen) galt, und er, wenn der ihn besitzende | ||||||
09 | Dämon für einen guten Geist gehalten wurde, bei den Griechen | ||||||
10 | ein Mantis, dessen Ausleger aber Prophet hieß. - Alle Thorheit mußte | ||||||
11 | erschöpft werden, um das Künftige, dessen Voraussehung uns so sehr interessirt, | ||||||
12 | mit Überspringung aller Stufen, welche vermittelst des Verstandes | ||||||
13 | durch Erfahrung dahin führen möchten, in unseren Besitz zu bringen. | ||||||
14 | O, curas hominum ! | ||||||
15 | Es giebt sonst keine so sichere und doch in so große Weite hinaus | ||||||
16 | erstreckte Wahrsagungswissenschaft, als die der Astronomie, welche die | ||||||
17 | Umwälzungen der Himmelskörper ins Unendliche vorherverkündigt. Aber | ||||||
18 | das hat doch nicht hindern können, daß sich nicht bald eine Mystik hinzugesellt | ||||||
19 | hat, welche nicht etwa, wie die Vernunft es verlangt, die Zahlen | ||||||
20 | der Weltepochen von den Begebenheiten, sondern umgekehrt die Begebenheiten | ||||||
21 | von gewissen heiligen Zahlen abhängig machen wollte und so die | ||||||
22 | Chronologie selbst, eine so nothwendige Bedingung aller Geschichte, in | ||||||
23 | eine Fabel verwandelte. | ||||||
24 | Von der unwillkürlichen Dichtung im gesunden Zustande, |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 157)] | |||||
25 | d. i. vom Traume. |
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26 | § 37. Was Schlaf, was Traum, was Somnambulism (wozu | ||||||
27 | auch das laute Sprechen im Schlaf gehört) seiner Naturbeschaffenheit nach | ||||||
28 | sei, zu erforschen, ist außerhalb dem Felde einer pragmatischen Anthropologie | ||||||
29 | gelegen; denn man kann aus diesem Phänomen keine Regeln des | ||||||
30 | Verhaltens im Zustande des Träumens ziehen; indem diese nur für | ||||||
31 | den Wachenden gelten, der nicht träumen oder gedankenlos schlafen will. | ||||||
32 | Und das Urtheil jenes griechischen Kaisers, der einen Menschen, welcher | ||||||
33 | seinen Traum, er habe den Kaiser umgebracht, seinen Freunden erzählte, | ||||||
34 | zum Tode verurtheilte unter dem Vorwand, "es würde ihm nicht geträumt | ||||||
35 | haben, wenn er nicht im Wachen damit umgegangen wäre", ist der | ||||||
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