Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 184

   
         
 

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  01 haben ( ingeniosis non admodum fida est memoria ), ist eine Bemerkung,    
  02 die jenes Phänomen erklärt.    
         
  03 Das judiciöse Memoriren ist kein anderes als das einer Tafel der    
  04 Eintheilung eines Systems (z. B. des Linnäus) in Gedanken; wo, wenn    
  05 man irgend etwas sollte vergessen haben, man sich durch die Aufzählung    
  06 der Glieder, die man behalten hat, wieder zurecht finden kann; oder auch    
  07 der Abtheilungen eines sichtbar gemachten Ganzen (z. B. der Provinzen    
  08 eines Landes auf einer Karte, welche nach Norden, Westen u. s. w. liegen),    
  09 weil man auch dazu Verstand braucht und dieser wechselseitig der Einbildungskraft    
  10 zu Hülfe kommt. Am meisten die Topik, d. i. ein Fachwerk    
  11 für allgemeine Begriffe, Gemeinplätze genannt, welches durch    
  12 Classeneintheilung, wie wenn man in einer Bibliothek die Bücher in    
  13 Schränke mit verschiedenen Aufschriften vertheilt, die Erinnerung erleichtert.    
         
  15 Eine Gedächtnißkunst ( ars mnemonica ) als allgemeine Lehre giebt    
  16 es nicht. Unter die besondern dazu gehörigen Kunstgriffe gehören die Denksprüche    
  17 in Versen ( versus memoriales ): weil der Rhythmus einen regelmäßigen    
  18 Sylbenfall enthält, der dem Mechanism des Gedächtnisses sehr    
  19 zum Vortheil gereicht. - Von den Wundermännern des Gedächtnisses,    
  20 einem Picus von Mirandola, Scaliger, Angelus Politanus, Magliabecchi    
  21 u. s. w., den Polyhistoren, die eine Ladung Bücher für hundert Kameele    
  22 als Materialien für die Wissenschaften in ihrem Kopf herumtragen, mu    
  23 man nicht verächtlich sprechen, weil sie vielleicht die für das Vermögen der    
  24 Auswahl aller dieser Kenntnisse zum zweckmäßigen Gebrauch angemessene    
  25 Urtheilskraft nicht besaßen; denn es ist doch schon Verdienst genug, die    
  26 rohe Materie reichlich herbeigeschafft zu haben; wenn gleich andere Köpfe    
  27 nachher hinzukommen müssen, sie mit Urtheilskraft zu verarbeiten    
  28 ( tantum scimus, quantum memoria tenemus ). Einer der Alten sagte:    
  29 "Die Kunst zu schreiben hat das Gedächtniß zu Grunde gerichtet (zum    
  30 Theil entbehrlich gemacht)." Etwas Wahres ist in diesem Satz: denn der    
  31 gemeine Mann hat das Mannigfaltige, was ihm aufgetragen wird, gemeiniglich    
  32 besser auf der Schnur, es nach der Reihe zu verrichten und sich    
  33 darauf zu besinnen: eben darum weil das Gedächtniß hier mechanisch ist    
         
     

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