Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 183

   
         
 

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  01 Zeit nur flüchtig auf das Object zurückblickt; dann ertappt man gemeiniglich    
  02 eine von den associirten Vorstellungen, welche jene zurückruft.    
         
  03 Methodisch etwas ins Gedächtniß fassen ( memoriae mandare ) heißt    
  04 memoriren (nicht studiren, wie der gemeine Mann es von dem Prediger    
  05 sagt, der seine künftig zu haltende Predigt bloß auswendig lernt).    
  06 Dieses Memoriren kann mechanisch, oder ingeniös, oder auch judiciös    
  07 sein. Das erstere beruht blos auf öfterer, buchstäblicher Wiederholung:    
  08 z. B. beim Erlernen des Einmaleins, wo der Lernende die ganze Reihe    
  09 der auf einander in der gewöhnlichen Ordnung folgenden Worte durchgehen    
  10 muß, um auf das Gesuchte zu kommen, z. B. wenn der Lehrling    
  11 gefragt wird: wieviel macht 3 mal 7? so wird er, von 3 mal 3 anfangend,    
  12 wohl auf ein und zwanzig kommen; frägt man ihn aber: wie viel macht    
  13 7 mal 3? so wird er sich nicht so bald besinnen können, sondern die Zahlen    
  14 umkehren müssen, um sie in die gewohnte Ordnung zu stellen. Wenn das    
  15 Erlernte eine feierliche Formel ist, in der kein Ausdruck abgeändert werden,    
  16 sondern die, wie man sagt, hergebetet werden muß, so sind wohl Leute    
  17 von dem besten Gedächtniß furchtsam, sich darauf zu verlassen (wie denn    
  18 diese Furcht selbst sie irre machen könnte), und halten es daher für nöthig,    
  19 sie abzulesen; wie es auch die geübtesten Prediger thun, weil die mindeste    
  20 Abänderung der Worte hiebei lächerlich sein würde.    
         
  21 Das ingeniöse Memoriren ist eine Methode gewisse Vorstellungen    
  22 durch Association mit Nebenvorstellungen, die an sich (für den Verstand)    
  23 gar keine Verwandtschaft mit einander haben, z. B. Laute einer Sprache    
  24 mit gänzlich ungleichartigen Bildern, die jenen correspondiren sollen, dem    
  25 Gedächtniß einzuprägen; wo man, um etwas leichter in Gedächtniß zu    
  26 fassen, dasselbe noch mit mehr Nebenvorstellungen belästigt; folglich ungereimt,    
  27 als regelloses Verfahren der Einbildungskraft in der Zusammenpaarung    
  28 dessen, was nicht unter einem und demselben Begriffe zusammen    
  29 gehören kann; und zugleich Widerspruch zwischen Mittel und Absicht,    
  30 da man dem Gedächtniß die Arbeit zu erleichtern sucht, in der That    
  31 aber sie durch die ihm unnöthig aufgebürdete Association sehr disparater    
  32 Vorstellungen erschwert*). Daß Witzlinge selten ein treues Gedächtni    
         
    *) So ist die Bilderfibel, wie die Bilderbibel, oder gar eine in Bildern vorgestellte Pandectenlehre ein optischer Kasten eines kindischen Lehrers, um seine Lehrlinge noch kindischer zu machen, als sie waren. Von der letzteren kann ein auf solche Art dem Gedächtniß anvertrauter Titel der Pandecten: de heredibus suis et [Seitenumbruch] legitimis , zum Beispiel dienen. Das erste Wort wurde durch einen Kasten mit Vorhängeschlössern sinnlich gemacht, das zweite durch eine Sau, das dritte durch die zwei Tafeln Mosis.    
         
     

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