Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 179

   
         
 

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  01 sehr getäuscht und so auch geheilt finden; zwar in der Meinung,    
  02 daß sich dort alles sehr geändert habe, in der That aber, weil sie ihre    
  03 Jugend dort nicht wiederum hinbringen können; wobei es doch merkwürdig    
  04 ist, daß dieses Heimweh mehr die Landleute einer geldarmen, dafür    
  05 aber durch Brüder= und Vetterschaften verbundenen Provinz, als diejenigen    
  06 befällt, die mit Gelderwerb beschäftigt sind und das patria ubi bene sich    
  07 zum Wahlspruch machen.    
         
  08 Wenn man vorher gehört hat, daß dieser oder jener ein böser Mensch    
  09 ist, so glaubt man ihm die Tücke im Gesicht lesen zu können, und Dichtung    
  10 mischt sich hier, vornehmlich wenn Affect und Leidenschaft hinzukommen,    
  11 mit der Erfahrung zu Einer Empfindung. Nach Helvetius sah    
  12 eine Dame durch ein Teleskop im Monde die Schatten zweier Verliebten;    
  13 der Pfarrer, der nachher dadurch beobachtete, sagte: "Nicht doch, Madame;    
  14 es sind zwei Glockenthürme an einer Hauptkirche."    
         
  15 Man kann zu allen diesen noch die Wirkungen durch die Sympathie    
  16 der Einbildungskraft zählen. Der Anblick eines Menschen in convulsivischen,    
  17 oder gar epileptischen Zufällen reizt zu ähnlichen krampfhaften Bewegungen;    
  18 so wie das Gähnen Anderer, um mit ihnen zu gähnen, und    
  19 der Arzt, Hr. Michaelis, führt an: daß, als bei der Armee in Nordamerika    
  20 ein Mann in heftige Raserei gerieth, zwei oder drei beistehende durch den    
  21 Anblick desselben plötzlich auch darein versetzt wurden, wiewohl dieser Zufall    
  22 nur vorbeigehend war; daher es Nervenschwachen (Hypochondrischen)    
  23 nicht zu rathen ist, aus Neugier Tollhäuser zu besuchen. Mehrentheils    
  24 vermeiden sie dieses auch von selbst: weil sie für ihren Kopf fürchten.    
  25 Man wird auch finden, daß lebhafte Personen, wenn jemand ihnen etwas    
  26 im Affect, vornehmlich des Zorns, was ihm begegnet sei, erzählt, bei    
  27 starker Attention Gesichter dazu schneiden und unwillkürlich in ein Spiel    
  28 der Mienen, die zu jenem Affect passen, versetzt werden. - Man will auch    
  29 bemerkt haben: daß mit einander sich wohlvertragende Eheleute nach und    
  30 nach eine Ähnlichkeit in Gesichtszügen bekommen, und deutet es dahin    
  31 aus, die Ursache sei, weil sie sich um dieser Ähnlichkeit halber ( similis    
  32 simili gaudet ) geehligt haben; welches doch falsch ist. Denn die Natur    
  33 treibt beim Instinct der Geschlechter eher zur Verschiedenheit der Subjecte,    
  34 die sich in einander verlieben sollen, damit alle Mannigfaltigkeit, welche    
  35 sie in ihre Keime gelegt hat, entwickelt werde; sondern die Vertraulichkeit    
  36 und Neigung, mit der sie einander in ihren einsamen Unterhaltungen,    
  37 dicht neben einander, oft und lange in die Augen sehen, bringt sympathetische    
         
     

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