Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 165

   
         
 

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  01 ist als die vorhergehende, ein Äußerstes der Anspannung ( intensio ),    
  02 dem sich zu nähern erweckend, es zu überschreiten wiederum abspannend    
  03 ist ( remissio ). In dem Punkte aber, der beide Zustände trennt,    
  04 liegt Vollendung ( maximum ) der Empfindung, welche Unempfindlichkeit,    
  05 mithin Leblosigkeit zur Folge hat.    
         
  06 Will man das Sinnenvermögen lebendig erhalten, so muß man nicht    
  07 von den starken Empfindungen anfangen (denn die machen uns gegen    
  08 die folgenden unempfindlich), sondern sie sich lieber anfänglich versagen    
  09 und sich kärglich zumessen, um immer höher steigen zu können. Der    
  10 Kanzelredner fängt in der Einleitung mit einer kalten Belehrung des    
  11 Verstandes an, die zu Beherzigung eines Pflichtbegriffs hinweiset, bringt    
  12 hernach in die Zergliederung seines Textes ein moralisches Interesse hinein    
  13 und endigt in der Application mit Bewegung aller Triebfedern der    
  14 menschlichen Seele durch die Empfindungen, welche jenem Interesse Nachdruck    
  15 geben können.    
         
  16 Junger Mann! versage dir die Befriedigung (der Lustbarkeit, der    
  17 Schwelgerei, der Liebe u. d. g.), wenn auch nicht in der stoischen Absicht,    
  18 ihrer gar entbehren zu wollen, sondern in der feinen epikurischen, um    
  19 einen immer noch wachsenden Genuß im Prospect zu haben. Dieses Kargen    
  20 mit der Baarschaft deines Lebensgefühls macht dich durch den Aufschub    
  21 des Genusses wirklich reicher, wenn du auch dem Gebrauch derselben am    
  22 Ende des Lebens großentheils entsagt haben solltest. Das Bewußtsein,    
  23 den Genuß in deiner Gewalt zu haben, ist wie alles Idealische fruchtbarer    
  24 und weiter umfassend als Alles, was den Sinn dadurch befriedigt, daß    
  25 es hiemit zugleich verzehrt wird und so von der Masse des Ganzen    
  26 abgeht.    
         
  27

Von der Hemmung, Schwächung und dem gänzlichen Verlust

[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 120) ]    
  28

des Sinnenvermögens.

   
         
  29 § 26. Das Sinnenvermögen kann geschwächt, gehemmt oder gänzlich    
  30 aufgehoben werden. Daher die Zustände der Trunkenheit, des Schlafs,    
  31 der Ohnmacht, des Scheintodes (Asphyxie) und des wirklichen Todes.    
         
  32 Die Trunkenheit ist der widernatürliche Zustand des Unvermögens    
  33 seine Sinnenvorstellungen nach Erfahrungsgesetzen zu ordnen, so fern er    
  34 die Wirkung eines übermäßig genommenen Genießmittels ist.    
         
  35 Der Schlaf ist der Worterklärung nach ein Zustand des Unvermögens    
         
     

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