Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 164 |
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01 | c. |
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02 | Der Wechsel. |
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03 | Monotonie (völlige Gleichförmigkeit in Empfindungen) bewirkt | ||||||
04 | endlich Atonie derselben (Ermattung der Aufmerksamkeit auf seinen Zustand), | ||||||
05 | und die Sinnenempfindung wird geschwächt. Abwechselung frischt | ||||||
06 | sie auf; wie eine in ebendemselben Tone, es sei geschrieene oder mit | ||||||
07 | gemäßigter, aber gleichförmiger Stimme abgelesene Predigt die ganze | ||||||
08 | Gemeine in Schlaf bringt. - Arbeit und Ruhe, Stadt= und Landleben, | ||||||
09 | im Umgange Unterredung und Spiel, in der Einsamkeit Unterhaltung | ||||||
10 | bald mit Geschichten, bald mit Gedichten, einmal mit Philosophie und | ||||||
11 | dann mit Mathematik stärken das Gemüth. - Es ist eben dieselbe Lebenskraft, | ||||||
12 | welche das Bewußtsein der Empfindungen rege macht; aber die | ||||||
13 | verschiedenen Organe derselben lösen einander in ihrer Thätigkeit ab. So | ||||||
14 | ist es leichter, sich eine geraume Zeit im Gehen zu unterhalten, weil da | ||||||
15 | ein Muskel (der Beine) mit dem anderen in der Ruhe wechselt, als steif | ||||||
16 | auf einer und derselben Stelle stehen zu bleiben, wo einer unabgespannt | ||||||
17 | eine Weile wirken muß. - Daher ist das Reisen so anlockend; nur Schade | ||||||
18 | daß es bei müßigen Leuten eine Leere (die Atonie), als die Folge von der | ||||||
19 | Monotonie des häuslichen Lebens, zurückläßt. | ||||||
20 | Die Natur hat es nun zwar schon selbst so geordnet, daß sich zwischen | ||||||
21 | angenehmen und den Sinn unterhaltenden Empfindungen der Schmerz | ||||||
22 | ungerufen einschleicht und so das Leben interessant macht. Aber absichtlich, | ||||||
23 | der Abwechselung wegen, ihn beizumischen und sich wehe zu thun, sich | ||||||
24 | aufwecken zu lassen, um das erneuerte Einschlafen recht zu fühlen, oder, | ||||||
25 | wie in Fieldings Roman (der Findling) ein Herausgeber dieses Buchs | ||||||
26 | nach des Verfassers Tode noch einen letzten Theil hinzufügte, um der Abwechselung | ||||||
27 | halber in die Ehe (womit die Geschichte schloß) noch Eifersucht | ||||||
28 | hineinzubringen, ist abgeschmackt; denn die Verschlimmerung eines Zustandes | ||||||
29 | ist nicht Vermehrung des Interesse, welches die Sinne daran | ||||||
30 | nehmen; selbst nicht in einem Trauerspiel. Denn Beendigung ist nicht | ||||||
31 | Abwechselung. | ||||||
32 | d. |
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33 | Die Steigerung bis zur Vollendung. |
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34 | Eine continuirliche Reihe dem Grade nach verschiedener auf einander | ||||||
35 | folgender Sinnesvorstellungen hat, wenn die folgende immer stärker | ||||||
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