Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 119

   
         
 

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Vorrede.

[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 057) ]    
         
  02 Alle Fortschritte in der Cultur, wodurch der Mensch seine Schule    
  03 macht, haben das Ziel, diese erworbenen Kenntnisse und Geschicklichkeiten    
  04 zum Gebrauch für die Welt anzuwenden; aber der wichtigste Gegenstand    
  05 in derselben, auf den er jene verwenden kann, ist der Mensch: weil er sein    
  06 eigener letzter Zweck ist. - Ihn also seiner Species nach als mit Vernunft    
  07 begabtes Erdwesen zu erkennen, verdient besonders Weltkenntniß genannt    
  08 zu werden, ob er gleich nur einen Theil der Erdgeschöpfe ausmacht.    
         
  09 Eine Lehre von der Kenntniß des Menschen, systematisch abgefaßt    
  10 (Anthropologie), kann es entweder in physiologischer oder in pragmatischer    
  11 Hinsicht sein. - Die physiologische Menschenkenntniß geht auf    
  12 die Erforschung dessen, was die Natur aus dem Menschen macht, die    
  13 pragmatische auf das, was er als freihandelndes Wesen aus sich selber    
  14 macht, oder machen kann und soll. - Wer den Naturursachen nachgrübelt,    
  15 worauf z.B. das Erinnerungsvermögen beruhen möge, kann über die im    
  16 Gehirn zurückbleibenden Spuren von eindrücken, welche die erlittenen    
  17 Empfindungen hinterlassen, hin und her (nach dem Cartesius) vernünfteln;    
  18 muß aber dabei gestehen: daß er in diesem Spiel seiner Vorstellungen    
  19 bloßer Zuschauer sei und die Natur machen lassen muß, indem er die Gehirnnerven    
  20 und Fasern nicht kennt, noch sich auf die Handhabung derselben    
  21 zu seiner Absicht versteht, mithin alles theoretische Vernünfteln hierüber    
  22 reiner Verlust ist. -- Wenn er aber die Wahrnehmungen über das,    
  23 was dem Gedächtniß hinderlich oder beförderlich befunden worden, dazu    
  24 benutzt, um es zu erweitern oder gewandt zu machen, und hiezu die    
  25 Kenntniß des Menschen braucht, so würde dieses einen Theil der Anthropologie    
  26 in pragmatischer Absicht ausmachen, und das ist eben die, mit    
  27 welcher wir uns hier beschäftigen.    
         
     

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