Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 109

   
         
 

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4.
   
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Von dem krankhaften Gefühl aus der Unzeit im Denken.
   
         
  03 Einem Gelehrten ist das Denken ein Nahrungsmittel, ohne welches,    
  04 wenn er wach und allein ist, er nicht leben kann; jenes mag nun im    
  05 Lernen (Bücherlesen) oder im Ausdenken (Nachsinnen und Erfinden)    
  06 bestehen. Aber beim Essen oder Gehen sich zugleich angestrengt mit einem    
  07 bestimmten Gedanken beschäftigen, Kopf und Magen oder Kopf und Füße    
  08 mit zwei Arbeiten zugleich belästigen, davon bringt das eine Hypochondrie,    
  09 das andere Schwindel hervor. Um also dieses krankhaften Zustandes    
  10 durch Diätetik Meister zu sein, wird nichts weiter erfordert, als die mechanische    
  11 Beschäftigung des Magens oder der Füße mit der geistigen des    
  12 Denkens wechseln zu lassen und während dieser (der Restauration gewidmeten)    
  13 Zeit das absichtliche Denken zu hemmen und dem (dem mechanischen    
  14 ähnlichen) freien Spiele der Einbildungskraft den Lauf zu lassen;    
  15 wozu aber bei einem Studirenden ein allgemein gefaßter und fester Vorsatz    
  16 der Diät im Denken erfordert wird.    
         
  17 Es finden sich krankhafte Gefühle ein, wenn man in einer Mahlzeit    
  18 ohne Gesellschaft sich zugleich mit Bücherlesen oder Nachdenken beschäftigt,    
  19 weil die Lebenskraft durch Kopfarbeit von dem Magen, den man belästigt,    
  20 abgeleitet wird. Eben so, wenn dieses Nachdenken mit der krafterschöpfenden    
  21 Arbeit der Füße (im Promeniren)*) verbunden wird. (Man kann    
  22 das Lucubriren noch hinzufügen, wenn es ungewöhnlich ist.) indessen    
  23 sind die krankhaften Gefühle aus diesen unzeitig ( invita Minerva ) vorgenommenen    
  24 Geistesarbeiten doch nicht von der Art, daß sie sich unmittelbar    
  25 durch den bloßen Vorsatz augenblicklich, sondern allein durch Entwöhnung    
  26 vermöge eines entgegengesetzten Princips nach und nach heben lassen,    
  27 und von den ersteren soll hier nur geredet werden.    
         
         
    *) Studirende können es schwerlich unterlassen, in einsamen Spaziergängen sich mit Nachdenken selbst und allein zu unterhalten. Ich habe es aber an mir gefunden und auch von andern, die ich darum befrug, gehört: daß das angestrengte Denken im Gehen geschwinde matt macht; dagegen, wenn man sich dem freien Spiel der Einbildungskraft überläßt, die Motion restaurirend ist. Noch mehr geschieht dieses, wenn bei dieser mit Nachdenken verbundenen Bewegung zugleich Unterredung mit einem Andern gehalten wird, so daß man sich bald genöthigt sieht, das Spiel seiner Gedanken sitzend fortzusetzen. - Das Spazieren im Freien hat gerade die Absicht durch den Wechsel der Gegenstände seine Aufmerksamkeit auf jeden einzelnen abzuspannen.    
         
     

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