Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 088

   
         
 

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  01 Krieg von innen und außen alle bisher bestandene statutarische zerstört -,    
  02 die aber doch dahin führt, zu einer Verfassung hinzustreben,    
  03 welche nicht kriegssüchtig sein kann, nämlich der republicanischen; die es    
  04 entweder selbst der Staatsform nach sein mag, oder auch nur nach der    
  05 Regierungsart, bei der Einheit des Oberhaupts (des Monarchen) den    
  06 Gesetzen analogisch, die sich ein Volk selbst nach allgemeinen Rechtsprincipien    
  07 geben würde, den Staat verwalten zu lassen.    
         
  08 Nun behaupte ich dem Menschengeschlechte nach den Aspecten und    
  09 Vorzeichen unserer Tage die Erreichung dieses Zwecks und hiemit zugleich    
  10 das von da an nicht mehr gänzlich rückgängig werdende Fortschreiten desselben    
  11 zum Besseren auch ohne Sehergeist vorhersagen zu können. Denn    
  12 ein solches Phänomen in der Menschengeschichte vergißt sich nicht mehr,    
  13 weil es eine Anlage und ein Vermögen in der menschlichen Natur zum    
  14 Besseren aufgedeckt hat, dergleichen kein Politiker aus dem bisherigen    
  15 Laufe der Dinge herausgeklügelt hätte, und welches allein Natur und    
  16 Freiheit, nach inneren Rechtsprincipien im Menschengeschlechte vereinigt,    
  17 aber, was die Zeit betrifft, nur als unbestimmt und Begebenheit aus Zufall    
  18 verheißen konnte.    
         
  19 Aber wenn der bei dieser Begebenheit beabsichtigte Zweck auch jetzt    
  20 nicht erreicht würde, wenn die Revolution oder Reform der Verfassung    
  21 eines Volks gegen das Ende doch fehlschlüge, oder, nachdem diese einige    
  22 Zeit gewährt hätte, doch wiederum alles ins vorige Gleis zurückgebracht    
  23 würde (wie Politiker jetzt wahrsagern), so verliert jene philosophische Vorhersagung    
  24 doch nichts von ihrer Kraft. -Denn jene Begebenheit ist zu    
  25 groß, zu sehr mit dem Interesse der Menschheit verwebt und ihrem Einflusse    
  26 nach auf die Welt in allen ihren Theilen zu ausgebreitet, als daß    
  27 sie nicht den Völkern bei irgend einer Veranlassung günstiger Umstände in    
  28 Erinnerung gebracht und zu Wiederholung neuer Versuche dieser Art erweckt    
  29 werden sollte; da dann bei einer für das Menschengeschlecht so wichtigen    
  30 Angelegenheit endlich doch zu irgend einer Zeit die beabsichtigte Verfassung    
  31 diejenige Festigkeit erreichen muß, welche die Belehrung durch    
  32 öftere Erfahrung in den Gemüthern Aller zu bewirken nicht ermangeln    
  33 würde.    
         
  34 Es ist also ein nicht bloß gutgemeinter und in praktischer Absicht    
  35 empfehlungswürdiger, sondern allen Ungläubigen zum Trotz auch für die    
  36 strengste Theorie haltbarer Satz: daß das menschliche Geschlecht im Fortschreiten    
  37 zum Besseren immer gewesen sei und so fernerhin fortgehen werde,    
         
     

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