Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 089 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
Verknüpfungen:
|
|
||||
01 | welches, wenn man nicht bloß auf das sieht, was in irgend einem Volk | ||||||
02 | geschehen kann, sondern auch auf die Verbreitung über alle Völker der | ||||||
03 | Erde, die nach und nach daran Theil nehmen dürften, die Aussicht in eine | ||||||
04 | unabsehliche Zeit eröffnet; wofern nicht etwa auf die erste Epoche einer | ||||||
05 | Naturrevolution, die (nach Camper und Blumenbach) bloß das Thier | ||||||
06 | und Pflanzenreich, ehe noch Menschen waren, vergrub, noch eine zweite | ||||||
07 | folgt, welche auch dem Menschengeschlechte eben so mitspielt, um andere | ||||||
08 | Geschöpfe auf diese Bühne treten zu lassen, u. s. w. . Denn für die Allgewalt | ||||||
09 | der Natur, oder vielmehr ihrer uns unerreichbaren obersten Ursache | ||||||
10 | ist der Mensch wiederum nur eine Kleinigkeit. Daß ihn aber auch die | ||||||
11 | Herrscher von seiner eigenen Gattung dafür nehmen und als eine solche | ||||||
12 | behandeln, indem sie ihn theils thierisch, als bloßes Werkzeug ihrer Absichten, | ||||||
13 | belasten, theils in ihren Streitigkeiten gegen einander aufstellen, | ||||||
14 | um sie schlachten zu lassen, -das ist keine Kleinigkeit, sondern Umkehrung | ||||||
15 | des Endzwecks der Schöpfung selbst. | ||||||
16 | 8. |
||||||
17 | Von der Schwierigkeit der auf das Fortschreiten zum Weltbesten |
||||||
18 | angelegten Maximen in Ansehung ihrer Publicität. |
||||||
19 | Volksaufklärung ist die öffentliche Belehrung des Volks von seinen | ||||||
20 | Pflichten und Rechten in Ansehung des Staats, dem es angehört. Weil | ||||||
21 | es hier nur natürliche und aus dem gemeinen Menschenverstande hervorgehende | ||||||
22 | Rechte betrifft, so sind die natürlichen Verkündiger und Ausleger | ||||||
23 | derselben im Volk nicht die vom Staat bestellte amtsmäßige, sondern freie | ||||||
24 | Rechtslehrer, d. i. die Philosophen, welche eben um dieser Freiheit willen, | ||||||
25 | die sie sich erlauben, dem Staate, der immer nur herrschen will, anstößig | ||||||
26 | sind, und werden unter dem Namen Aufklärer als für den Staat gefährliche | ||||||
27 | Leute verschrieen; obzwar ihre Stimme nicht vertraulich ans Volk | ||||||
28 | (als welches davon und von ihren Schriften wenig oder gar keine Notiz | ||||||
29 | nimmt), sondern ehrerbietig an den Staat gerichtet und dieser jenes sein | ||||||
30 | rechtliches Bedürfniß zu beherzigen angefleht wird; welches durch keinen | ||||||
31 | andern Weg als den der Publicität geschehen kann, wenn ein ganzes Volk | ||||||
32 | seine Beschwerde ( gravamen ) vortragen will. So verhindert das Verbot | ||||||
33 | der Publicität den Fortschritt eines Volks zum Besseren, selbst in dem, | ||||||
34 | was das Mindeste seiner Forderung, nämlich bloß sein natürliches Recht, | ||||||
35 | angeht. | ||||||
[ Seite 088 ] [ Seite 090 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |