Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 084 |
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| 01 | ist hier kein Unterschied), weil er zu dem letzteren den Zusammenhang nach | ||||||
| 02 | Naturgesetzen bedarf, in Ansehung der künftigen freien Handlungen aber | ||||||
| 03 | dieser Leitung oder Hinweisung entbehren muß. | ||||||
| 04 | Wenn man den Menschen einen angebornen und unveränderlich=guten | ||||||
| 05 | obzwar eingeschränkten Willen beilegen dürfte, so würde er dieses Fortschreiten | ||||||
| 06 | seiner Gattung zum Besseren mit Sicherheit vorhersagen können: | ||||||
| 07 | weil es eine Begebenheit träfe, die er selbst machen kann. Bei der Mischung | ||||||
| 08 | des Bösen aber mit dem Guten in der Anlage, deren Maß er nicht | ||||||
| 09 | kennt, weiß er selbst nicht, welcher Wirkung er sich davon gewärtigen könne. | ||||||
| 10 | 5. |
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| 11 | An irgend eine Erfahrung muß doch die wahrsagende Geschichte |
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| 12 | des Menschengeschlechts angeknüpft werden. |
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| 13 | Es muß irgend eine Erfahrung im Menschengeschlechte vorkommen, | ||||||
| 14 | die als eine Begebenheit auf eine Beschaffenheit und ein Vermögen desselben | ||||||
| 15 | hinweiset, Ursache von dem Fortrücken desselben zum Besseren und (daß | ||||||
| 16 | dieses die That eines mit Freiheit begabten Wesens sein soll) Urheber desselben | ||||||
| 17 | zu sein; aus einer gegebenen Ursache aber läßt sich eine Begebenheit | ||||||
| 18 | als Wirkung vorhersagen, wenn sich die Umstände eräugnen, welche dazu | ||||||
| 19 | mitwirkend sind. Daß diese letztere sich aber irgend einmal eräugnen | ||||||
| 20 | müssen, kann wie beim Calcul der Wahrscheinlichkeit im Spiel wohl im | ||||||
| 21 | Allgemeinen vorhergesagt, aber nicht bestimmt werden, ob es sich in meinem | ||||||
| 22 | Leben zutragen und ich die Erfahrung davon haben werde, die jene Vorhersagung | ||||||
| 23 | bestätigte. -Also muß eine Begebenheit nachgesucht werden, | ||||||
| 24 | welche auf das Dasein einer solchen Ursache und auch auf den Act ihrer | ||||||
| 25 | Causalität im Menschengeschlechte unbestimmt in Ansehung der Zeit hinweise, | ||||||
| 26 | und die auf das Fortschreiten zum Besseren als unausbleibliche | ||||||
| 27 | Folge schließen ließe, welcher Schluß dann auch auf die Geschichte der vergangenen | ||||||
| 28 | Zeit (daß es immer im Fortschritt gewesen sei) ausgedehnt werden | ||||||
| 29 | könnte, doch so, daß jene Begebenheit nicht selbst als Ursache des letzteren, | ||||||
| 30 | sondern nur als hindeutend, als Geschichtszeichen ( signum rememorativum, | ||||||
| 31 | demonstrativum, prognostikon ), angesehen werden müsse | ||||||
| 32 | und so die Tendenz des menschlichen Geschlechts im Ganzen, d.i. nicht | ||||||
| 33 | nach den Individuen betrachtet (denn das würde eine nicht zu beendigende | ||||||
| 34 | Aufzählung und Berechnung abgeben), sondern wie es in Völkerschaften | ||||||
| 35 | und Staaten getheilt auf Erden angetroffen wird, beweisen könnte. | ||||||
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