Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 042 |
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01 | dieser gemäßer Sinn muß allen biblischen Glaubenslehren untergelegt | ||||||
02 | werden. | ||||||
03 | Unter Glaubenssätzen versteht man nicht, was geglaubt werden soll | ||||||
04 | (denn das Glauben verstattet keinen Imperativ), sondern das, was in | ||||||
05 | praktischer (moralischer) Absicht anzunehmen möglich und zweckmäßig, obgleich | ||||||
06 | nicht eben erweislich ist, mithin nur geglaubt werden kann. Nehme | ||||||
07 | ich das Glauben ohne diese moralische Rücksicht blos in der Bedeutung | ||||||
08 | eines theoretischen Fürwahrhaltens, z. B. dessen, was ich auf dem Zeugni | ||||||
09 | anderer geschichtmäßig gründet, oder auch, weil ich mir gewisse gegebene | ||||||
10 | Erscheinungen nicht anders als unter dieser oder jener Voraussetzung | ||||||
11 | erklären kann, zu einem Princip an, so ist ein solcher Glaube, weil | ||||||
12 | er weder einen besseren Menschen macht noch einen solchen beweiset, gar | ||||||
13 | kein Stück der Religion; ward er aber nur als durch Furcht und Hoffnung | ||||||
14 | aufgedrungen in der Seele erkünstelt, so ist er der Aufrichtigkeit, | ||||||
15 | mithin auch der Religion zuwider. -Lauten also Spruchstellen so, als | ||||||
16 | ob sie das Glauben einer Offenbarungslehre nicht allein als an sich verdienstlich | ||||||
17 | ansähen, sondern wohl gar über moralisch=gute Werke erhöben, | ||||||
18 | so müssen sie so ausgelegt werden, als ob nur der moralische, die Seele | ||||||
19 | durch Vernunft bessernde und erhebende Glaube dadurch gemeint sei; gesetzt | ||||||
20 | auch, der buchstäbliche Sinn, z.B. wer da glaubet und getaufet wird, | ||||||
21 | wird selig etc., lautete dieser Auslegung zuwider. Der Zweifel über jene | ||||||
22 | statutarische Dogmen und ihre Authenticität kann also eine moralische, | ||||||
23 | wohlgesinnte Seele nicht beunruhigen. -Eben dieselben Sätze können | ||||||
24 | gleichwohl als wesentliche Erfordernisse zum Vortrag eines gewissen | ||||||
25 | Kirchenglaubens angesehen werden, der aber, weil er nur Vehikel des | ||||||
26 | Religionsglaubens, mithin an sich veränderlich ist und einer allmähligen | ||||||
27 | Reinigung bis zur Congruenz mit dem letzteren fähig bleiben muß, nicht | ||||||
28 | zum Glaubensartikel selbst gemacht, obzwar doch auch in Kirchen nicht | ||||||
29 | öffentlich angegriffen oder auch mit trockenem Fuß übergangen werden | ||||||
30 | darf, weil er unter der Gewahrsame der Regierung steht, die für öffentliche | ||||||
31 | Eintracht und Frieden Sorge trägt, indessen daß es des Lehrers | ||||||
32 | Sache ist davor zu warnen, ihm nicht eine für sich bestehende Heiligkeit | ||||||
33 | beizulegen, sondern ohne Verzug zu dem dadurch eingeleiteten Religionsglauben | ||||||
34 | überzugehen. | ||||||
35 | III Das Thun muß als aus des Menschen eigenem Gebrauch seiner | ||||||
36 | moralischen Kräfte entspringend und nicht als Wirkung vom Einfluß | ||||||
37 | einer äußeren höheren wirkenden Ursache, in Ansehung deren der Mensch | ||||||
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