Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 037

   
         
 

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  01 einen, welches den Kanon, dem andern, was das Organon oder Vehikel    
  02 der Religion enthält, wovon der erste der reine Religionsglaube (ohne    
  03 Statuten auf bloßer Vernunft gegründet), der andere der Kirchenglaube,    
  04 der ganz auf Statuten beruht, genannt werden kann, die einer Offenbarung    
  05 bedurften, wenn sie für heilige Lehre und Lebensvorschriften gelten sollten.    
  06 -Da aber auch dieses Leitzeug zu jenem Zweck zu gebrauchen Pflicht ist,    
  07 wenn es für göttliche Offenbarung angenommen werden darf, so läßt sich    
  08 daraus erklären, warum der sich auf Schrift gründende Kirchenglaube bei    
  09 Nennung des Religionsglaubens gemeiniglich mit verstanden wird.    
         
  10 Der biblische Theolog sagt: suchet in der Schrift, wo ihr meinet das    
  11 ewige Leben zu finden. Dieses aber, weil die Bedingung desselben keine    
  12 andere als die moralische Besserung des Menschen ist, kann kein Mensch    
  13 in irgend einer Schrift finden, als wenn er sie hineinlegt, weil die dazu    
  14 erforderlichen Begriffe und Grundsätze eigentlich nicht von irgend einem    
  15 andern gelernt, sondern nur bei Veranlassung eines Vortrages aus der    
  16 eigenen Vernunft des Lehrers entwickelt werden müssen. Die Schrift aber    
  17 enthält noch mehr, als was an sich selbst zum ewigen Leben erforderlich    
  18 ist, was nämlich zum Geschichtsglauben gehört und in Ansehung des Religionsglaubens    
  19 als bloßes sinnliches Vehikel zwar (für diese oder jene    
  20 Person, für dieses oder jenes Zeitalter) zuträglich sein kann, aber nicht    
  21 nothwendig dazu gehört. Die biblisch=theologische Facultät dringt nun    
  22 darauf als göttliche Offenbarung in gleichem Maße, als wenn der Glaube    
  23 desselben zur Religion gehörte. Die philosophische aber widerstreitet jener    
  24 in Ansehung dieser Vermengung und dessen, was jene über die eigentliche    
  25 Religion Wahres in sich enthält.    
         
  26 Zu diesem Vehikel (d.i. dem, was über die Religionslehre noch hinzukommt)    
  27 gehört auch noch die Lehrmethode, die man als den Aposteln    
  28 selbst überlassen und nicht als göttliche Offenbarung betrachten darf, sondern    
  29 beziehungsweise auf die Denkungsart der damaligen Zeiten (κατ'    
  30 ανθρωπον ) und nicht als Lehrstücke an sich selbst (κατ' αληθειαν ) geltend annehmen    
  31 kann, und zwar entweder negativ als bloße Zulassung gewisser    
  32 damals herrschender, an sich irriger Meinungen, um nicht gegen einen    
  33 herrschenden, doch im wesentlichen gegen die Religion nicht streitenden    
  34 damaligen Wahn zu verstoßen (z. B. das von den Besessenen), oder auch    
  35 positiv, um sich der Vorliebe eines Volks für ihren alten Kirchenglauben,    
  36 der jetzt ein Ende haben sollte, zu bedienen, um den neuen zu introduciren.    
  37 (Z. B. die Deutung der Geschichte des alten Bundes als Vorbilder von    
         
     

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