Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 482

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ist, in unsere moralischen Aussichten mit aufnehmen und uns derselben      
  02 willig unterwerfen*).      
           
  03 Wenn man fragt, warum uns denn etwas daran gelegen sei, überhaupt      
  04 eine Theologie zu haben: so leuchtet klar ein, daß sie nicht zur Erweiterung      
  05 oder Berichtigung unserer Naturkenntniß und überhaupt irgend      
  06 einer Theorie, sondern lediglich zur Religion, d. i. dem praktischen, namentlich      
  07 dem moralischen Gebrauche der Vernunft, in subjectiver Absicht      
  08 nöthig sei. Findet sich nun, daß das einzige Argument, welches zu einem      
  09 bestimmten Begriffe des Gegenstandes der Theologie führt, selbst moralisch      
  10 ist: so wird es nicht allein nicht befremden, sondern man wird auch      
  11 in Ansehung der Zugänglichkeit des Fürwahrhaltens aus diesem Beweisgrunde      
  12 zur Endabsicht desselben nichts vermissen, wenn gestanden wird,      
  13 daß ein solches Argument das Dasein Gottes nur für unsere moralische      
  14 Bestimmung, d. i. in praktischer Absicht, hinreichend darthue, und die      
  15 Speculation in demselben ihre Stärke keinesweges beweise, oder den Umfang      
  16 ihres Gebiets dadurch erweitere. Auch wird die Befremdung, oder      
  17 der vorgebliche Widerspruch einer hier behaupteten Möglichkeit einer Theologie      
  18 mit dem, was die Kritik der speculativen Vernunft von den Kategorieen      
  19 sagte: daß diese nämlich nur in Anwendung auf Gegenstände der      
  20 Sinne, keinesweges aber auf das Übersinnliche angewandt, Erkenntniß      
  21 hervorbringen können, verschwinden, wenn man sie hier zu einem Erkenntniß      
  22 Gottes, aber nicht in theoretischer (nach dem, was seine uns unerforschliche      
  23 Natur an sich sei), sondern lediglich in praktischer Absicht gebraucht      
  24 sieht. - Um bei dieser Gelegenheit der Mißdeutung jener sehr nothwendigen,      
  25 aber auch zum Verdruß des blinden Dogmatikers die Vernunft in      
  26 ihre Gränzen zurückweisenden Lehre der Kritik ein Ende zu machen, füge      
  27 ich hier nachstehende Erläuterung derselben bei.      
           
  28 Wenn ich einem Körper bewegende Kraft beilege, mithin ihn      
           
    *)Die Bewunderung der Schönheit sowohl, als die Rührung durch die so mannigfaltigen Zwecke der Natur, welche ein nachdenkendes Gemüth noch vor einer klaren Vorstellung eines vernünftigen Urhebers der Welt zu fühlen im Stande ist, haben etwas einem religiösen Gefühl Ähnliches an sich. Sie scheinen daher zuerst durch eine der moralischen analoge Beurtheilungsart derselben auf das moralische Gefühl (der Dankbarkeit und der Verehrung gegen die uns unbekannte Ursache) und also durch Erregung moralischer Ideen auf das Gemüth zu wirken, wenn sie diejenige Bewunderung einflößen, die mit weit mehrerem Interesse verbunden ist, als bloße theoretische Betrachtung wirken kann.      
           
     

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