Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 481

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ist wie die physische, vielmehr dadurch, daß sie a priori auf von unserer      
  02 Vernunft untrennbaren Principien beruht, Vorzug verdient, führt auf      
  03 das, was zur Möglichkeit einer Theologie erfordert wird, nämlich auf      
  04 einen bestimmten Begriff der obersten Ursache als Weltursache nach moralischen      
  05 Gesetzen, mithin einer solchen, die unserm moralischen Endzwecke      
  06 Genüge thut: wozu nichts weniger als Allwissenheit, Allmacht, Allgegenwart      
  07 u. s. w. als dazu gehörige Natureigenschaften erforderlich sind, die      
  08 mit dem moralischen Endzwecke, der unendlich ist, als verbunden, mithin      
  09 ihm adäquat gedacht werden müssen, und kann so den Begriff eines      
  10 einzigen Welturhebers, der zu einer Theologie tauglich ist, ganz allein      
  11 verschaffen.      
           
  12 Auf solche Weise führt eine Theologie auch unmittelbar zur Religion,      
  13 d. i. der Erkenntniß unserer Pflichten als göttlicher Gebote:      
  14 weil die Erkenntniß unserer Pflicht und des darin uns durch Vernunft      
  15 auferlegten Endzwecks den Begriff von Gott zuerst bestimmt hervorbringen      
  16 konnte, der also schon in seinem Ursprunge von der Verbindlichkeit      
  17 gegen dieses Wesen unzertrennlich ist; anstatt daß, wenn der Begriff      
  18 vom Urwesen auf dem bloß theoretischen Wege (nämlich desselben als      
  19 bloßer Ursache der Natur) auch bestimmt gefunden werden könnte, es nachher      
  20 noch mit großer Schwierigkeit, vielleicht gar Unmöglichkeit es ohne      
  21 willkürliche Einschiebung zu leisten verbunden sein würde, diesem Wesen      
  22 eine Causalität nach moralischen Gesetzen durch gründliche Beweise beizulegen,      
  23 ohne die doch jener angeblich theologische Begriff keine Grundlage      
  24 zur Religion ausmachen kann. Selbst wenn eine Religion auf diesem      
  25 theoretischen Wege gegründet werden könnte, würde sie in Ansehung der      
  26 Gesinnung (worin doch ihr Wesentliches besteht) wirklich von derjenigen      
  27 unterschieden sein, in welcher der Begriff von Gott und die (praktische)      
  28 Überzeugung von seinem Dasein aus Grundideen der Sittlichkeit entspringt.      
  29 Denn wenn wir Allgewalt, Allwissenheit u. s. w. eines Welturhebers      
  30 als anderwärts her uns gegebene Begriffe voraussetzen müßten,      
  31 um nachher unsere Begriffe von Pflichten auf unser Verhältniß zu ihm      
  32 nur anzuwenden, so müßten diese sehr stark den Anstrich von Zwang und      
  33 abgenöthigter Unterwerfung bei sich führen; statt dessen, wenn die Hochachtung      
  34 für das sittliche Gesetz uns ganz frei laut Vorschrift unserer eigenen      
  35 Vernunft den Endzweck unserer Bestimmung vorstellt, wir eine damit      
  36 und zu dessen Ausführung zusammenstimmende Ursache mit der wahrhaftesten      
  37 Ehrfurcht, die gänzlich von pathologischer Furcht unterschieden      
           
     

[ Seite 480 ] [ Seite 482 ] [ Inhaltsverzeichnis ]