|
|
Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 471 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Zeile: |
Text (Kant): |
|
|
|
|
01 |
Vernunft angenommen, also nicht so wie die Pflicht selbst praktisch nothwendig |
|
|
|
|
02 |
ist*). |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
03 |
Glaube (als habitus , nicht als actus ) ist die moralische Denkungsart |
|
|
|
|
04 |
der Vernunft im Fürwahrhalten desjenigen, was für das theoretische |
|
|
|
|
05 |
Erkenntniß unzugänglich ist. Er ist also der beharrliche Grundsatz des |
|
|
|
|
06 |
Gemüths, das, was zur Möglichkeit des höchsten moralischen Endzwecks |
|
|
|
|
07 |
als Bedingung vorauszusetzen nothwendig ist, wegen der Verbindlichkeit |
|
|
|
|
08 |
zu demselben als wahr anzunehmen**); obzwar die Möglichkeit desselben, |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
*)Der Endzweck, den das moralische Gesetz zu befördern auferlegt, ist nicht der Grund der Pflicht; denn dieser liegt im moralischen Gesetze, welches als formales praktisches Princip kategorisch leitet, unangesehen der Objecte des Begehrungsvermögens (der Materie des Wollens), mithin irgend eines Zwecks. Diese formale Beschaffenheit meiner Handlungen (Unterordnung derselben unter das Princip der Allgemeingültigkeit), worin allein ihr innerer moralischer Werth besteht, ist gänzlich in unserer Gewalt; und ich kann von der Möglichkeit, oder Unausführbarkeit der Zwecke, die mir jenem Gesetze gemäß zu befördern obliegen, gar wohl abstrahiren (weil in ihnen nur der äußere Werth meiner Handlungen besteht), als von etwas, welches nie völlig in meiner Gewalt ist, um nur auf das zu sehen, was meines Thuns ist. Allein die Absicht, den Endzweck aller vernünftigen Wesen (Glückseligkeit, so weit sie einstimmig mit der Pflicht möglich ist) zu befördern, ist doch eben durch das Gesetz der Pflicht auferlegt. Aber die speculative Vernunft sieht die Ausführbarkeit derselben (weder von Seiten unseres eigenen physischen Vermögens, noch der Mitwirkung der Natur) gar nicht ein; vielmehr muß sie aus solchen Ursachen, so viel wir vernünftiger Weise urtheilen können, einen solchen Erfolg unseres Wohlverhaltens von der bloßen Natur (in uns und außer uns), ohne Gott und Unsterblichkeit anzunehmen, für eine ungegründete und nichtige, wenn gleich wohlgemeinte Erwartung halten und, wenn sie von diesem Urtheile völlige Gewißheit haben könnte, das moralische Gesetz selbst als bloße Täuschung unserer Vernunft in praktischer Rücksicht ansehen. Da aber die speculative Vernunft sich völlig überzeugt, daß das letztere nie geschehen kann, dagegen aber jene Ideen, deren Gegenstand über die Natur hinaus liegt, ohne Widerspruch gedacht werden können: so wird sie für ihr eigenes praktisches Gesetz und die dadurch auferlegte Aufgabe, also in moralischer Rücksicht, jene Ideen als real anerkennen müssen, um nicht mit sich selbst in Widerspruch zu kommen. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
**)Er ist ein Vertrauen auf die Verheißung des moralischen Gesetzes; aber nicht als eine solche, die in demselben enthalten ist, sondern die ich hineinlege und zwar aus moralisch hinreichendem Grunde. Denn ein Endzweck kann durch kein Gesetz der Vernunft geboten sein, ohne daß diese zugleich die Erreichbarkeit desselben, wenn gleich ungewiß, verspreche und hiemit auch das Fürwahrhalten der einzigen Bedingungen berechtige, unter denen unsere Vernunft sich diese allein denken kann. Das Wort Fides drückt dieses auch schon aus; und es kann nur bedenklich scheinen, wie dieser Ausdruck und diese besondere Idee in die moralische Philosophie hineinkomme, [Seitenumbruch] da sie allererst mit dem Christenthum eingeführt worden, und die Annahme derselben vielleicht nur eine schmeichlerische Nachahmung seiner Sprache zu sein scheinen dürfte. Aber das ist nicht der einzige Fall, da diese wundersame Religion in der größten einfalt ihres Vortrages die Philosophie mit weit bestimmteren und reineren Begriffen der Sittlichkeit bereichert hat, als diese bis dahin hatte liefern können, die aber, wenn sie einmal da sind, von der Vernunft frei gebilligt und als solche angenommen werden, auf die sie wohl von selbst hätte kommen und sie einführen können und sollen. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
[ Seite 470 ] [ Seite 472 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|