Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 470 |
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| 01 | theoretischer Absicht dieser Realität nicht verschaffen können, bloße Glaubenssache | ||||||
| 02 | der reinen Vernunft, mit ihm aber zugleich Gott und Unsterblichkeit, | ||||||
| 03 | als die Bedingungen, unter denen allein wir nach der Beschaffenheit | ||||||
| 04 | unserer (der menschlichen) Vernunft uns die Möglichkeit jenes Effects | ||||||
| 05 | des gesetzmäßigen Gebrauchs unserer Freiheit denken können. Das Fürwahrhalten | ||||||
| 06 | aber in Glaubenssachen ist ein Fürwahrhalten in reiner praktischer | ||||||
| 07 | Absicht, d. i. ein moralischer Glaube, der nichts für das theoretische, | ||||||
| 08 | sondern bloß für das praktische, auf Befolgung seiner Pflichten gerichtete, | ||||||
| 09 | reine Vernunfterkenntniß beweiset und die Speculation, oder die praktischen | ||||||
| 10 | Klugheitsregeln nach dem Princip der Selbstliebe gar nicht erweitert. | ||||||
| 11 | Wenn das oberste Princip aller Sittengesetze ein Postulat ist, so wird zugleich | ||||||
| 12 | die Möglichkeit ihres höchsten Objects, mithin auch die Bedingung, | ||||||
| 13 | unter der wir diese Möglichkeit denken können, dadurch zugleich mit postulirt. | ||||||
| 14 | Dadurch wird nun das Erkenntniß der letzteren weder Wissen noch | ||||||
| 15 | Meinung von dem Dasein und der Beschaffenheit dieser Bedingungen, | ||||||
| 16 | als theoretische Erkenntnißart, sondern bloß Annahme in praktischer | ||||||
| 17 | und dazu gebotener Beziehung für den moralischen Gebrauch unserer Vernunft. | ||||||
| 19 | Würden wir auch auf die Zwecke der Natur, die uns die physische | ||||||
| 20 | Teleologie in so reichem Maße vorlegt, einen bestimmten Begriff von | ||||||
| 21 | einer verständigen Weltursache scheinbar gründen können, so wäre das | ||||||
| 22 | Dasein dieses Wesens doch nicht Glaubenssache. Denn da dieses nicht | ||||||
| 23 | zum Behuf der Erfüllung meiner Pflicht, sondern nur zur Erklärung der | ||||||
| 24 | Natur angenommen wird, so würde es bloß die unserer Vernunft angemessenste | ||||||
| 25 | Meinung und Hypothese sein. Nun führt jene Teleologie keinesweges | ||||||
| 26 | auf einen bestimmten Begriff von Gott, der hingegen allein in dem | ||||||
| 27 | von einem moralischen Welturheber angetroffen wird, weil dieser allein | ||||||
| 28 | den Endzweck angiebt, zu welchem wir uns nur sofern zählen können, als | ||||||
| 29 | wir dem, was uns das moralische Gesetz als Endzweck auferlegt, mithin | ||||||
| 30 | uns verpflichtet, uns gemäß verhalten. Folglich bekommt der Begriff von | ||||||
| 31 | Gott nur durch die Beziehung auf das Object unserer Pflicht, als Bedingung | ||||||
| 32 | der Möglichkeit den Endzweck derselben zu erreichen, den Vorzug | ||||||
| 33 | in unserm Fürwahrhalten als Glaubenssache zu gelten; dagegen eben derselbe | ||||||
| 34 | Begriff doch sein Object nicht als Thatsache geltend machen kann: | ||||||
| 35 | weil, obzwar die Nothwendigkeit der Pflicht für die praktische Vernunft | ||||||
| 36 | wohl klar ist, doch die Erreichung des Endzwecks derselben, sofern er nicht | ||||||
| 37 | ganz in unserer Gewalt ist, nur zum Behuf des praktischen Gebrauchs der | ||||||
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