Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 455 |
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01 | Vernunft nach moralischen Gesetzen; und der Endzweck der Schöpfung | ||||||
02 | ist diejenige Beschaffenheit der Welt, die zu dem, was wir allein nach | ||||||
03 | Gesetzen bestimmt angeben können, nämlich dem Endzwecke unserer reinen | ||||||
04 | praktischen Vernunft, und zwar so fern sie praktisch sein soll, übereinstimmt. | ||||||
05 | Nun haben wir durch das moralische Gesetz, welches uns diesen | ||||||
06 | letztern auferlegt, in praktischer Absicht, nämlich um unsere Kräfte zur | ||||||
07 | Bewirkung desselben anzuwenden, einen Grund, die Möglichkeit, Ausführbarkeit | ||||||
08 | desselben, mithin auch (weil ohne Beitritt der Natur zu einer | ||||||
09 | in unserer Gewalt nicht stehenden Bedingung derselben die Bewirkung | ||||||
10 | desselben unmöglich sein würde) eine Natur der Dinge, die dazu übereinstimmt, | ||||||
11 | anzunehmen. Also haben wir einen moralischen Grund, uns an | ||||||
12 | einer Welt auch einen Endzweck der Schöpfung zu denken. | ||||||
13 | Dieses ist nun noch nicht der Schluß von der moralischen Teleologie | ||||||
14 | auf eine Theologie, d. i. auf das Dasein eines moralischen Welturhebers, | ||||||
15 | sondern nur auf einen Endzweck der Schöpfung, der auf diese Art bestimmt | ||||||
16 | wird. Daß nun zu dieser Schöpfung, d. i. der Existenz der Dinge | ||||||
17 | gemäß einem Endzwecke, erstlich ein verständiges, aber zweitens nicht | ||||||
18 | bloß (wie zu der Möglichkeit der Dinge der Natur, die wir als Zwecke | ||||||
19 | zu beurtheilen genöthigt waren) ein verständiges, sondern ein zugleich | ||||||
20 | moralisches Wesen als Welturheber, mithin ein Gott angenommen | ||||||
21 | werden müsse: ist ein zweiter Schluß, welcher so beschaffen ist, daß man | ||||||
22 | sieht, er sei bloß für die Urtheilskraft nach Begriffen der praktischen Vernunft | ||||||
23 | und als ein solcher für die reflectirende, nicht die bestimmende Urtheilskraft | ||||||
24 | gefällt. Denn wir können uns nicht anmaßen einzusehen: daß, | ||||||
25 | obzwar in uns die moralisch=praktische Vernunft von der technisch=praktischen | ||||||
26 | ihren Principien nach wesentlich unterschieden ist, in der obersten | ||||||
27 | Weltursache, wenn sie als Intelligenz angenommen wird, es auch so sein | ||||||
28 | müsse, und eine besondere und verschiedene Art der Causalität derselben | ||||||
29 | zum Endzwecke, als bloß zu Zwecken der Natur erforderlich sei; daß wir | ||||||
30 | mithin an unserm Endzweck nicht bloß einen moralischen Grund haben, | ||||||
31 | einen Endzweck der Schöpfung (als Wirkung), sondern auch ein | ||||||
32 | moralisches Wesen als Urgrund der Schöpfung anzunehmen. Wohl | ||||||
33 | aber können wir sagen: daß nach der Beschaffenheit unseres Vernunftvermögens | ||||||
34 | wir uns die Möglichkeit einer solchen auf das moralische | ||||||
35 | Gesetz und dessen Object bezogenen Zweckmäßigkeit, als in diesem | ||||||
36 | Endzwecke ist, ohne einen Welturheber und Regierer, der zugleich | ||||||
37 | moralischer Gesetzgeber ist, gar nicht begreiflich machen können. | ||||||
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