Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 453 |
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Text (Kant):
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01 | so muß er, welches er auch gar wohl thun kann, indem es an sich wenigstens | ||||||
02 | nicht widersprechend ist, in praktischer Absicht, d. i. um sich wenigstens | ||||||
03 | von der Möglichkeit des ihm moralisch vorgeschriebenen Endzwecks einen | ||||||
04 | Begriff zu machen, das Dasein eines moralischen Welturhebers, d. i. | ||||||
05 | Gottes, annehmen. | ||||||
06 | § 88. |
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07 | Beschränkung der Gültigkeit des moralischen Beweises. |
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08 | Die reine Vernunft als praktisches Vermögen, d. i. als Vermögen | ||||||
09 | den freien Gebrauch unserer Causalität durch Ideen (reine Vernunftbegriffe) | ||||||
10 | zu bestimmen, enthält nicht allein im moralischen Gesetze ein regulatives | ||||||
11 | Princip unserer Handlungen, sondern giebt auch dadurch zugleich | ||||||
12 | ein subjectiv=constitutives in dem Begriffe eines Objects an die Hand, | ||||||
13 | welches nur Vernunft denken kann, und welches durch unsere Handlungen | ||||||
14 | in der Welt nach jenem Gesetze wirklich gemacht werden soll. Die Idee | ||||||
15 | eines Endzwecks im Gebrauche der Freiheit nach moralischen Gesetzen | ||||||
16 | hat also subjectiv=praktische Realität. Wir sind a priori durch die Vernunft | ||||||
17 | bestimmt, das Weltbeste, welches in der Verbindung des größten | ||||||
18 | Wohls der vernünftigen Weltwesen mit der höchsten Bedingung des Guten | ||||||
19 | an denselben, d. i. der allgemeinen Glückseligkeit mit der gesetzmäßigsten | ||||||
20 | Sittlichkeit, besteht, nach allen Kräften zu befördern. In diesem | ||||||
21 | Endzwecke ist die Möglichkeit des einen Theils, nämlich der Glückseligkeit, | ||||||
22 | empirisch bedingt, d. i. von der Beschaffenheit der Natur (ob sie zu diesem | ||||||
23 | Zwecke übereinstimme oder nicht) abhängig und in theoretischer Rücksicht | ||||||
24 | problematisch; indeß der andere Theil, nämlich die Sittlichkeit, in Ansehung | ||||||
25 | deren wir von der Naturmitwirkung frei sind, seiner Möglichkeit | ||||||
26 | nach a priori fest steht und dogmatisch gewiß ist. Zur objectiven theoretischen | ||||||
27 | Realität also des Begriffs von dem Endzwecke vernünftiger Weltwesen | ||||||
28 | wird erfordert, daß nicht allein wir einen uns a priori vorgesetzten | ||||||
29 | Endzweck haben, sondern daß auch die Schöpfung, d. i. die Welt selbst, | ||||||
30 | ihrer Existenz nach einen Endzweck habe: welches, wenn es a priori bewiesen | ||||||
31 | werden könnte, zur subjectiven Realität des Endzwecks die objective | ||||||
32 | hinzuthun würde. Denn hat die Schöpfung überall einen Endzweck, | ||||||
33 | so können wir ihn nicht anders denken, als so, daß er mit dem moralischen | ||||||
34 | (der allein den Begriff von einem Zwecke möglich macht) übereinstimmen | ||||||
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