Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 444 |
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| 01 | Da wir nun den Menschen nur als moralisches Wesen für den Zweck | ||||||
| 02 | der Schöpfung anerkennen: so haben wir erstlich einen Grund, wenigstens | ||||||
| 03 | die Hauptbedingung, die Welt als ein nach Zwecken zusammenhängendes | ||||||
| 04 | Ganze und als System von Endursachen anzusehen; vornehmlich aber | ||||||
| 05 | für die nach Beschaffenheit unserer Vernunft uns nothwendige Beziehung | ||||||
| 06 | der Naturzwecke auf eine verständige Weltursache ein Princip, die Natur | ||||||
| 07 | und Eigenschaften dieser ersten Ursache als obersten Grundes im Reiche | ||||||
| 08 | der Zwecke zu denken und so den Begriff derselben zu bestimmen: welches | ||||||
| 09 | die physische Teleologie nicht vermochte, die nur unbestimmte und eben | ||||||
| 10 | darum zum theoretischen sowohl als praktischen Gebrauche untaugliche | ||||||
| 11 | Begriffe von demselben veranlassen konnte. | ||||||
| 12 | Aus diesem so bestimmten Princip der Causalität des Urwesens werden | ||||||
| 13 | wir es nicht bloß als Intelligenz und gesetzgebend für die Natur, sondern | ||||||
| 14 | auch als gesetzgebendes Oberhaupt in einem moralischen Reiche der | ||||||
| 15 | Zwecke denken müssen. In Beziehung auf das höchste unter seiner Herrschaft | ||||||
| 16 | allein mögliche Gut, nämlich die Existenz vernünftiger Wesen unter | ||||||
| 17 | moralischen Gesetzen, werden wir uns dieses Urwesen als allwissend | ||||||
| 18 | denken: damit selbst das Innerste der Gesinnungen (welches den eigentlichen | ||||||
| 19 | moralischen Werth der Handlungen vernünftiger Weltwesen ausmacht) | ||||||
| 20 | ihm nicht verborgen sei; als allmächtig: damit es die ganze Natur | ||||||
| 21 | diesem höchsten Zwecke angemessen machen könne; als allgütig und | ||||||
| 22 | zugleich gerecht: weil diese beiden Eigenschaften (vereinigt die Weisheit) | ||||||
| 23 | die Bedingungen der Causalität einer obersten Ursache der Welt | ||||||
| 24 | als höchsten Guts unter moralischen Gesetzen ausmachen; und so auch alle | ||||||
| 25 | noch übrigen transscendentalen Eigenschaften, als Ewigkeit, Allgegenwart | ||||||
| 26 | u. s. w. (denn Güte und Gerechtigkeit sind moralische Eigenschaften), | ||||||
| 27 | die in Beziehung auf einen solchen Endzweck vorausgesetzt werden, an | ||||||
| 28 | demselben denken müssen. - Auf solche Weise ergänzt die moralische | ||||||
| 29 | Teleologie den Mangel der physischen und gründet allererst eine Theologie: | ||||||
| 30 | da die letztere, wenn sie nicht unbemerkt aus der ersteren borgte, | ||||||
| 31 | sondern consequent verfahren sollte, für sich allein nichts als eine Dämonologie, | ||||||
| 32 | welche keines bestimmten Begriffs fähig ist, begründen könnte. | ||||||
| 33 | Aber das Princip der Beziehung der Welt wegen der moralischen | ||||||
| 34 | Zweckbestimmung gewisser Wesen in derselben auf eine oberste Ursache, | ||||||
| 35 | als Gottheit, thut dieses nicht bloß dadurch, daß es den physisch=teleologischen | ||||||
| 36 | Beweisgrund ergänzt und also diesen nothwendig zum Grunde legt; | ||||||
| 37 | sondern es ist dazu auch für sich hinreichend und treibt die Aufmerksamkeit | ||||||
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