Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 422 |
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| 01 | Wesens darnach zu denken, sondern (wenigstens nach der Beschaffenheit | ||||||
| 02 | unsers Erkenntnißvermögens) einer absichtlich wirkenden Ursache ursprünglich | ||||||
| 03 | untergeordnet werden muß: so langt eben so wenig der bloße | ||||||
| 04 | teleologische Grund eines solchen Wesens hin, es zugleich als ein Product | ||||||
| 05 | der Natur zu betrachten und zu beurtheilen, wenn nicht der Mechanism | ||||||
| 06 | der letzteren dem ersteren beigesellt wird, gleichsam als das Werkzeug einer | ||||||
| 07 | absichtlich wirkenden Ursache, deren Zwecke die Natur in ihren mechanischen | ||||||
| 08 | Gesetzen gleichwohl untergeordnet ist. Die Möglichkeit einer solchen Vereinigung | ||||||
| 09 | zweier ganz verschiedener Arten von Causalität, der Natur in | ||||||
| 10 | ihrer allgemeinen Gesetzmäßigkeit mit einer Idee, welche jene auf eine | ||||||
| 11 | besondere Form einschränkt, wozu sie für sich gar keinen Grund enthält, | ||||||
| 12 | begreift unsere Vernunft nicht; sie liegt im übersinnlichen Substrat der | ||||||
| 13 | Natur, wovon wir nichts bejahend bestimmen können, als daß es das | ||||||
| 14 | Wesen an sich sei, von welchem wir bloß die Erscheinung kennen. Aber | ||||||
| 15 | das Princip: alles, was wir als zu dieser Natur ( Phaenomenon ) gehörig | ||||||
| 16 | und als Product derselben annehmen, auch nach mechanischen Gesetzen | ||||||
| 17 | mit ihr verknüpft denken zu müssen, bleibt nichts desto weniger in seiner | ||||||
| 18 | Kraft: weil ohne diese Art von Causalität organisirte Wesen, als Zwecke | ||||||
| 19 | der Natur, doch keine Naturproducte sein würden. | ||||||
| 20 | Wenn nun das teleologische Princip der Erzeugung dieser Wesen angenommen | ||||||
| 21 | wird (wie es denn nicht anders sein kann): so kann man entweder | ||||||
| 22 | den Occasionalism, oder den Prästabilism der Ursache ihrer | ||||||
| 23 | innerlich zweckmäßigen Form zum Grunde legen. Nach dem ersteren | ||||||
| 24 | würde die oberste Weltursache ihrer Idee gemäß bei Gelegenheit einer jeden | ||||||
| 25 | Begattung der in derselben sich mischenden Materie unmittelbar die | ||||||
| 26 | organische Bildung geben; nach dem zweiten würde sie in die anfänglichen | ||||||
| 27 | Producte dieser ihrer Weisheit nur die Anlage gebracht haben, vermittelst | ||||||
| 28 | deren ein organisches Wesen seines Gleichen hervorbringt und die Species | ||||||
| 29 | sich selbst beständig erhält, imgleichen der Abgang der Individuen durch | ||||||
| 30 | ihre zugleich an ihrer Zerstörung arbeitende Natur continuirlich ersetzt | ||||||
| 31 | wird. Wenn man den Occasionalism der Hervorbringung organisirter | ||||||
| 32 | Wesen annimmt, so geht alle Natur hiebei gänzlich verloren, mit ihr auch | ||||||
| 33 | aller Vernunftgebrauch, über die Möglichkeit einer solchen Art Producte | ||||||
| 34 | zu urtheilen; daher man voraussetzen kann, daß niemand dieses System | ||||||
| 35 | annehmen wird, dem es irgend um Philosophie zu thun ist. | ||||||
| 36 | Der Prästabilism kann nun wiederum auf zwiefache Art verfahren. | ||||||
| 37 | Er betrachtet nämlich ein jedes von seines Gleichen gezeugte organische | ||||||
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