Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 404 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Welt betrachtet würde, wo zwischen Sollen und Thun, zwischen einem | ||||||
02 | praktischen Gesetze von dem, was durch uns möglich ist, und dem theoretischen | ||||||
03 | von dem, was durch uns wirklich ist, kein Unterschied sein würde. | ||||||
04 | Ob nun aber gleich eine intelligibele Welt, in welcher alles darum wirklich | ||||||
05 | sein würde, bloß nur weil es (als etwas Gutes) möglich ist, und selbst die | ||||||
06 | Freiheit als formale Bedingung derselben für uns ein überschwenglicher | ||||||
07 | Begriff ist, der zu keinem constitutiven Princip, ein Object und dessen | ||||||
08 | objective Realität zu bestimmen, tauglich ist: so dient die letztere doch nach | ||||||
09 | der Beschaffenheit unserer (zum Theil sinnlichen) Natur und Vermögens | ||||||
10 | für uns und alle vernünftige mit der Sinnenwelt in Verbindung stehende | ||||||
11 | Wesen, so weit wir sie uns nach der Beschaffenheit unserer Vernunft vorstellen | ||||||
12 | können, zu einem allgemeinen regulativen Princip, welches die | ||||||
13 | Beschaffenheit der Freiheit als Form der Causalität nicht objectiv bestimmt, | ||||||
14 | sondern und zwar mit nicht minderer Gültigkeit, als ob dieses | ||||||
15 | geschähe, die Regel der Handlungen nach jener Idee für jedermann zu | ||||||
16 | geboten macht. | ||||||
17 | Eben so kann man auch, was unsern vorhabenden Fall betrifft, einräumen: | ||||||
18 | wir würden zwischen Naturmechanism und Technik der Natur, | ||||||
19 | d. i. Zweckverknüpfung in derselben, keinen Unterschied finden, wäre unser | ||||||
20 | Verstand nicht von der Art, daß er vom Allgemeinen zum Besondern | ||||||
21 | gehen muß, und die Urtheilskraft also in Ansehung des Besondern keine | ||||||
22 | Zweckmäßigkeit erkennen, mithin keine bestimmende Urtheile fällen kann, | ||||||
23 | ohne ein allgemeines Gesetz zu haben, worunter sie jenes subsumiren | ||||||
24 | könne. Da nun aber das Besondere als ein solches in Ansehung des | ||||||
25 | Allgemeinen etwas Zufälliges enthält, gleichwohl aber die Vernunft in der | ||||||
26 | Verbindung besonderer Gesetze der Natur doch auch Einheit, mithin | ||||||
27 | Gesetzlichkeit erfordert (welche Gesetzlichkeit des Zufälligen Zweckmäßigkeit | ||||||
28 | heißt), und die Ableitung der besonderen Gesetze aus den allgemeinen in | ||||||
29 | Ansehung dessen, was jene Zufälliges in sich enthalten, a priori durch | ||||||
30 | Bestimmung des Begriffs vom Objecte unmöglich ist: so wird der Begriff | ||||||
31 | der Zweckmäßigkeit der Natur in ihren Producten ein für die menschliche | ||||||
32 | Urtheilskraft in Ansehung der Natur nothwendiger, aber nicht die Bestimmung | ||||||
33 | der Objecte selbst angehender Begriff sein, also ein subjectives | ||||||
34 | Princip der Vernunft für die Urtheilskraft, welches als regulativ (nicht | ||||||
35 | constitutiv) für unsere menschliche Urtheilskraft eben so nothwendig | ||||||
36 | gilt, als ob es ein objectives Princip wäre. | ||||||
[ Seite 403 ] [ Seite 405 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |