Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 401 |
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Text (Kant):
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| 01 | aber dem menschlichen Geschlecht unnachlaßlich anhängenden Grunde allein | ||||||
| 02 | gemäß ist. | ||||||
| 03 | § 76. |
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| 04 | Anmerkung. |
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| 05 | Diese Betrachtung, welche es gar sehr verdient in der Transscendentalphilosophie | ||||||
| 06 | umständlich ausgeführt zu werden, mag hier nur episodisch | ||||||
| 07 | zur Erläuterung (nicht zum Beweise des hier Vorgetragenen) eintreten. | ||||||
| 08 | Die Vernunft ist ein Vermögen der Principien und geht in ihrer | ||||||
| 09 | äußersten Forderung auf das Unbedingte; da hingegen der Verstand ihr | ||||||
| 10 | immer nur unter einer gewissen Bedingung, die gegeben werden muß, zu | ||||||
| 11 | Diensten steht. Ohne Begriffe des Verstandes aber, welchen objective | ||||||
| 12 | Realität gegeben werden muß, kann die Vernunft gar nicht objectiv (synthetisch) | ||||||
| 13 | urtheilen und enthält als theoretische Vernunft für sich schlechterdings | ||||||
| 14 | keine constitutive, sondern bloß regulative Principien. Man wird | ||||||
| 15 | bald inne: daß, wo der Verstand nicht folgen kann, die Vernunft überschwenglich | ||||||
| 16 | wird und in zwar gegründeten Ideen (als regulativen Principien), | ||||||
| 17 | aber nicht objectiv gültigen Begriffen sich hervorthut; der Verstand | ||||||
| 18 | aber, der mit ihr nicht Schritt halten kann, aber doch zur Gültigkeit | ||||||
| 19 | für Objecte nöthig sein würde, die Gültigkeit jener Ideen der Vernunft | ||||||
| 20 | nur auf das Subject, aber doch allgemein für alle von dieser Gattung, | ||||||
| 21 | d. i. auf die Bedingung einschränke, daß nach der Natur unseres (menschlichen) | ||||||
| 22 | Erkenntnißvermögens oder gar überhaupt nach dem Begriffe, den | ||||||
| 23 | wir uns von dem Vermögen eines endlichen vernünftigen Wesens überhaupt | ||||||
| 24 | machen können, nicht anders als so könne und müsse gedacht | ||||||
| 25 | werden: ohne doch zu behaupten, daß der Grund eines solchen Urtheils | ||||||
| 26 | im Objecte liege. Wir wollen Beispiele anführen, die zwar zu viel Wichtigkeit | ||||||
| 27 | und auch Schwierigkeit haben, um sie hier sofort als erwiesene | ||||||
| 28 | Sätze dem Leser aufzudringen, die ihm aber Stoff zum Nachdenken geben | ||||||
| 29 | und dem, was hier unser eigenthümliches Geschäft ist, zur Erläuterung | ||||||
| 30 | dienen können. | ||||||
| 31 | Es ist dem menschlichen Verstande unumgänglich nothwendig, Möglichkeit | ||||||
| 32 | und Wirklichkeit der Dinge zu unterscheiden. Der Grund davon | ||||||
| 33 | liegt im Subjecte und der Natur seiner Erkenntnißvermögen. Denn | ||||||
| 34 | wären zu dieser ihrer Ausübung nicht zwei ganz heterogene Stücke, Verstand | ||||||
| 35 | für Begriffe und sinnliche Anschauung für Objecte, die ihnen | ||||||
| 36 | correspondiren, erforderlich: so würde es keine solche Unterscheidung | ||||||
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