Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 399

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 sowohl als den Philosophen geltende Beweisgrund der Abhängigkeit und      
  02 des Ursprungs desselben von einem außer der Welt existirenden und zwar      
  03 (um jener zweckmäßigen Form willen) verständigen Wesen: daß also die      
  04 Teleologie keine Vollendung des Aufschlusses für ihre Nachforschungen,      
  05 als in einer Theologie findet.      
           
  06 Was beweiset nun aber am Ende auch die allervollständigste Teleologie?      
  07 Beweiset sie etwa, daß ein solches verständiges Wesen da sei?      
  08 Nein; nichts weiter, als daß wir nach Beschaffenheit unserer Erkenntnißvermögen,      
  09 also in Verbindung der Erfahrung mit den obersten Principien      
  10 der Vernunft, uns schlechterdings keinen Begriff von der Möglichkeit einer      
  11 solchen Welt machen können, als so, daß wir uns eine absichtlich=wirkende      
  12 oberste Ursache derselben denken. Objectiv können wir also nicht      
  13 den Satz darthun: es ist ein verständiges Urwesen; sondern nur subjectiv      
  14 für den Gebrauch unserer Urtheilskraft in ihrer Reflexion über die Zwecke      
  15 in der Natur, die nach keinem anderen Princip als dem einer absichtlichen      
  16 Causalität einer höchsten Ursache gedacht werden können.      
           
  17 Wollten wir den obersten Satz dogmatisch, aus teleologischen      
  18 Gründen, darthun: so würden wir von Schwierigkeiten befangen werden,      
  19 aus denen wir uns nicht herauswickeln könnten. Denn da würde diesen      
  20 Schlüssen der Satz zum Grunde gelegt werden müssen: die organisirten      
  21 Wesen in der Welt sind nicht anders, als durch eine absichtlich=wirkende      
  22 Ursache möglich. Daß aber, weil wir diese Dinge nur unter der Idee der      
  23 Zwecke in ihrer Causalverbindung verfolgen und diese nach ihrer Gesetzmäßigkeit      
  24 erkennen können, wir auch berechtigt wären, eben dieses auch      
  25 für jedes denkende und erkennende Wesen als nothwendige, mithin dem      
  26 Objecte und nicht bloß unserm Subjecte anhängende Bedingung vorauszusetzen:      
  27 das müßten wir hiebei unvermeidlich behaupten wollen. Aber      
  28 mit einer solchen Behauptung kommen wir nicht durch. Denn da wir      
  29 die Zwecke in der Natur als absichtliche eigentlich nicht beobachten,      
  30 sondern nur in der Reflexion über ihre Producte diesen Begriff als einen      
  31 Leitfaden der Urtheilskraft hinzu denken: so sind sie uns nicht durch das      
  32 Object gegeben. A priori ist es sogar für uns unmöglich, einen solchen      
  33 Begriff seiner objectiven Realität nach als annehmungsfähig zu rechtfertigen.      
  34 Es bleibt also schlechterdings ein nur auf subjectiven Bedingungen,      
  35 nämlich der unseren Erkenntnißvermögen angemessen reflectirenden      
  36 Urtheilskraft, beruhender Satz, der, wenn man ihn als objectiv=dogmatisch      
  37 geltend ausdrückte, heißen würde: Es ist ein Gott; nun aber für      
           
     

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