Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 383 |
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01 | (nämlich das der Metaphysik) sein. Genug, es sind nach Naturgesetzen, die | ||||||
02 | wir uns nur unter der Idee der Zwecke als Princip denken können, einzig | ||||||
03 | und allein erklärbare und bloß auf diese Weise ihrer innern Form nach, | ||||||
04 | sogar auch nur innerlich erkennbare Gegenstände. Um sich also auch | ||||||
05 | nicht der mindesten Anmaßung, als wollte man etwas, was gar nicht in | ||||||
06 | die Physik gehört, nämlich eine übernatürliche Ursache, unter unsere Erkenntnißgründe | ||||||
07 | mischen, verdächtig zu machen: spricht man in der Teleologie | ||||||
08 | zwar von der Natur, als ob die Zweckmäßigkeit in ihr absichtlich | ||||||
09 | sei, aber doch zugleich so, daß man der Natur, d. i. der Materie, diese | ||||||
10 | Absicht beilegt; wodurch man (weil hierüber kein Mißverstand Statt | ||||||
11 | finden kann, indem von selbst schon keiner einem leblosen Stoffe Absicht in | ||||||
12 | eigentlicher Bedeutung des Worts beilegen wird) anzeigen will, daß dieses | ||||||
13 | Wort hier nur ein Princip der reflectirenden, nicht der bestimmenden | ||||||
14 | Urtheilskraft bedeute und also keinen besondern Grund der Causalität | ||||||
15 | einführen solle, sondern auch nur zum Gebrauche der Vernunft eine andere | ||||||
16 | Art der Nachforschung, als die nach mechanischen Gesetzen ist, hinzufüge, | ||||||
17 | um die Unzulänglichkeit der letzteren selbst zur empirischen Aufsuchung | ||||||
18 | aller besondern Gesetze der Natur zu ergänzen. Daher spricht man in der | ||||||
19 | Teleologie, so fern sie zur Physik gezogen wird, ganz recht von der Weisheit, | ||||||
20 | der Sparsamkeit, der Vorsorge, der Wohlthätigkeit der Natur, ohne | ||||||
21 | dadurch aus ihr ein verständiges Wesen zu machen (weil das ungereimt | ||||||
22 | wäre); aber auch ohne sich zu erkühnen, ein anderes, verständiges Wesen | ||||||
23 | über sie als Werkmeister setzen zu wollen, weil dieses vermessen *) sein | ||||||
24 | würde: sondern es soll dadurch nur eine Art der Causalität der Natur | ||||||
25 | nach einer Analogie mit der unsrigen im technischen Gebrauche der Vernunft | ||||||
26 | bezeichnet werden, um die Regel, wornach gewissen Producten der | ||||||
27 | Natur nachgeforscht werden muß, vor Augen zu haben. | ||||||
28 | Warum aber macht doch die Teleologie gewöhnlich keinen eigenen | ||||||
29 | Theil der theoretischen Naturwissenschaft aus, sondern wird zur Theologie | ||||||
30 | als Propädeutik oder Übergang gezogen? Dieses geschieht, um das | ||||||
*)Das deutsche Wort vermessen ist ein gutes, bedeutungsvolles Wort. Ein Urtheil, bei welchem man das Längenmaß seiner Kräfte (des Verstandes) zu überschlagen vergißt, kann bisweilen sehr demüthig klingen und macht doch große Ansprüche und ist doch sehr vermessen. Von der Art sind die meisten, wodurch man die göttliche Weisheit zu erheben vorgiebt, indem man ihr in den Werken der Schöpfung und der Erhaltung Absichten unterlegt, die eigentlich der eigenen Weisheit des Vernünftlers Ehre machen sollen. | |||||||
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